«Zwei Oltner Buben in der Fremdenlegion (7)»

Am sechsten Morgenihrer Flucht also - am8. Januar 1914 - begingen Hunziker und Santschi den Fehler, sich auszuruhen und ein Lagerfeuer zu entfachen. Steil stieg der Rauch himmelan und verriet jedermann, dass auf einem einsamen Hügel jemand Rast machte. So dauerte es nicht lang, bis jemand «Hände hoch!» rief.

Es waren vier Piccos, Araberpolizisten, und gut bewaffnet. Hunziker und Santschi hatten zwar geschworen, ihre Freiheit bis aufs Äusserste zu verteidigen und sich keinesfalls kampflos zu ergeben. Aber wie die Dinge lagen, war Widerstand zwecklos.

Die Piccos nahmen ihnen die Waffen ab und fesselten sie wie Sklaven aneinander, und dann ging’s auf dem gleichen Weg zurück nach Sidi Bel Abbès, wo die Ausreisser zu15 Tagen Gefängnis verurteilt wurden. Für gewöhnlich sah das Gesetz bei Desertion Tod durch Erschiessen auf dem Kasernenhof vor. Milde gab es nur für Rekruten, die noch nicht drei Monate bei derLegion waren.

Das Gefängnis war ein stinkendes Loch ohne Latrine und so dunkel, dass Hunziker und Santschi nie erfuhren, wie viele Häftlinge mit ihnen die Zelle teilten. Nach 15 Tagen Haft waren sie von allen Fluchtgedanken geheilt und ganz sicher, dass sie für den Rest ihrer Dienstzeit Gehorsam üben würden.

Einige Wochen vergingen ohne besondere Vorkommnisse. Santschi wurde krank und lag im Lazarett, Hunziker musste samstags allein in den Ausgang. Eine freudige Überraschung hatte er, als eines Tages sein Vater vor dem Kasernentor stand. Aus Vaterliebe war er den ganzen Weg von Olten nach Sidi Bel Abbès gereist, um dem Sohn mit Geld und zivilen Kleidern zur Flucht zu verhelfen.

Man kann sich vorstellen, dass der Sohn dem Vater unter Tränen dankte. Aber er wagte es nicht, aufs Neue zu desertieren. Denn ein zweites Mal hätte die Justiz der Legion kein Pardon gekannt. So fuhr der Vater unverrichteter Dinge wieder nach Hause, und der Sohn blieb in der Kaserne.

Alex Capus

Fortsetzung folgt

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