«Zwei Oltner Buben in der Fremdenlegion (3)»

Es ist also wie gesagt 99 Jahre her, dass zwei Oltner Buben in einer Winternacht zur Fremdenlegion gingen. Ihre erste Nacht als Legionäre verbrachten Adolf Hunziker und Alfred Santschi schlaflos in der FestungSt. Jean am Hafen von Marseille. Die anderen Rekruten schliefen auch nicht. Manche hatte der Hunger zur Legion getrieben, andere ein Streit mit dem Vater, wieder andere eine unglückliche Liebesgeschichte. Ein 24-jähriger Jude aus der Ukraine setzte sich neben Adolf, zündete eine Zigarette an und erzählte ihm seine Geschichte.

Er war noch ein kleiner Jungegewesen, als bei einem Pogrom seine Mutter, sein Vater und seine Schwester ermordet wurden. Ein Onkel rettete ihn in höchster Not und fuhr mit ihm an Bordeines Emigrantenschiffs über das Schwarze Meer nach Rumänien.

Dort wuchs er heran, lernte einen guten Beruf und machte, als er zwanzig war, die Bekanntschaft eines schönen Mädchens, das er heiraten wollte. Weil aber der Onkel sich dagegen sträubte, brannte er mit ihr durch, um in Paris sein Glück zu machen. Dort mussten sie zu Beginn unten durch, aber nach einer Weile hatten sie beide Arbeit und wohnten in einem gemütlichen Zimmer an der Rue Magenta.

Er war glücklich und freute sich auf die Zukunft. Als er aber an einem unfreundlichen Novemberabend nach Hause kam, war das Zimmer leer. Auf dem Tisch lag ein Zettel. Darauf stand, dass sie ihn für immer verlassen habe. Nach ein paar Tagen hielt er sein Unglück nicht mehr aus und meldete sich zur Legion, umunter einem anderen Himmel ein neues Leben zu beginnen.

Niemand kennt seinen Namen, sein Weg verliert sich im Dunkel der Zeit. Und wäre in jener schlaflosen Nacht nicht Adolf Hunziker da gewesen, um dessen Geschichte aufzuschreiben, hätten wir Heutigen keine Ahnung, dass vor 99 Jahren ein ukrainischer Jüngling voller Hoffnungen mit einem schönen Mädchen nach Paris durchbrannte.

Alex Capus

Fortsetzung folgt

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