«Zwei Oltner Buben in der Fremdenlegion (2)»

Es ist also wie gesagtgenau 99 Jahre und zwei Wochen her, dass zwei Oltner Buben in einer Winternacht nach Belfort liefen, um zur Fremdenlegion zu gehen. Im Sanitätszimmer mussten sie sich nackt ausziehen und sehr genau untersuchen lassen. Nachdem der Regimentsarzt beschlossen hatte, dass Adolf Hunziker und Alfred Santschi die fünf Centimes Tagessold wert seien, wurde ihnen ein Blatt Papier zum Unterschreiben vorgelegt, auf dem stand: «Ich verpflichte mich für fünf Jahre in die Fremdenlegion und werde hingehen, wo Frankreich mich haben will, und alle Befehle ausführen.»

Dann bekam jeder einen halben Laib Brot und ein grosses StückKäse sowie einen Franc und25 Centimes sowie einen Transportschein nach Marseille, und dann führte sie ein Korporal zum Bahnhof. Als nun der Zug sorasend schnell dem Mittelmeer entgegen ratterte, gefiel Alfred und Adolf die Sache schon nicht mehr so richtig. Sie dachten an Flucht, getrauten sich mit ihren Transportscheinen aber nicht über die Bahnhofsperren hinaus.

Am Bahnhof von Marseille erwartete sie wiederum ein Korporal und führte sie zur alten Festung St. Jean, die unten am Hafen im Wasser stand. Und als sich deren mächtiges Tor hinter ihnen geschlossen hatte, war’s mit der Freiheit vorbei. In der Festung befanden sich hundert weitere Legionäre. Die Rekruten lauschten mit grossen Augen den schauerlichen Geschichten gelbgesichtiger Veteranen und bereuten schon bitter ihren fünfjährigen Treueeid auf die Trikolore. Adolf kaufte in der Militärkantine eine Ansichtskarte und schrieb folgende Zeilen nach Hause an die Oltner Rosengasse: «Meine Lieben! Teile Euch mit, dass ich mich gestern zur Fremdenlegion anwerben liess. Wir fahren morgen Abend nach Afrika. Auf Wiedersehen, so Gott will, in fünf Jahren! Adolf.»

Fortsetzung folgt Alex Capus

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