«Zwei Oltner Buben in der Fremde (1)»
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Am Sonntag letzter Woche war’s genau 99 Jahre her, dass in Olten nachts um zehn bei winterlicher Kälte zwei Gestalten sich aus der Stadt fortschlichen, um sehr lange Zeit nicht wiederzukehren. Der eine hiess Adolf Hunziker, war achtzehn Jahre alt und Angestellter bei der Eisenbahn, sein Freund Alfred Santschi war erst sechzehn und Spenglerlehrling bei der Lastwagenfabrik Berna. Was weiter geschah, ist mir bekannt, denn ich habe Adolfs Lebenserinnerungen vor mir auf dem Schreibtisch liegen.
Die beiden liefen über Trimbach hinauf nach Ifenthal. Dort machten sie Rast und schauten ein letztes Mal hinunter auf die Lichter ihrer Vaterstadt. Dann ging’s über den Hauenstein nach Läufelfingen,Sissach und Liestal, wo ein Müller sie auf seinem Fuhrwerk bis nach Basel mitnahm. Zu Fuss gingen sie über die Grenze nach Sankt Ludwig, versetzten ihre Wertsachen für ein paar Mark im Pfandleihaus und fuhren mit der Eisenbahn vierter Klasse über Mülhausen zum elsässisch-französischen Grenzbahnhof Münsterol.
Es war schon wieder Nacht geworden, aber fürs Hotel hatten Adolf und Alfred kein Geld. Also liefen sie weiter durchs Schneegestöber. Um Mitternacht mussten sie einem deutschen Grenzwächter Auskunft geben über ihr Woher und Wohin. «Ach Jungs», sagte er, bevor er sie laufen liess, «kauft euch liebereinen Strick!»
Am nächsten Morgen kamen Alfred und Adolf in der Garnisonsstadt Belfort an und zogen durch hohe Festungsmauern zur Kaserne, wo grosse, bunte Werbeplakate für die Kolonialarmee hingen: Troupes coloniales, Chasseurs d’Afrique, Spahis Algériens, Légion Etrangère,Sénégal, Tonkin, Madagaskar…Die zwei Oltner Buben traten in den Hof ein, wo schon einige Männer und Jünglinge umherstanden. Nach langem Warten ging eine Tür auf, und ein Korporal mit breiten, grellroten Hosen rief: «Les engagements pour les colonies, entrez!»
Fortsetzung folgt...Alex Capus