Wir Eltern
Nun ist also auch die Mittlere von zu Hause ausgezogen. Am Wochenende haben mein Mann und ich geholfen, ihre Sachen nach Olten in die WG zu bringen. «Toll!», gratulierten uns Freunde zur neuen Selbstständigkeit unserer Tochter. Und meine kinderliebenden, aber kinderlosen Kollegin- nen im Radiostudio meinten, da hätten wir wohl Einiges richtig gemacht. Ich bedankte mich höflich – doch innerlich hat es mich fast zerrissen.
Nicht, dass Sie denken, ich wäre eine Glucke. Das bin ich nie gewesen, auch als junge Mutter nicht. Mein Mann und ich haben Kindererziehung, Haus- und Erwerbsarbeit von Anfang an geteilt, im Dorf habe ich mit anderen zusammen eine Kita aufgebaut. Und wie schon meine Eltern war ich stets der Meinung, Kinder sollten mit spätestens 20 flügge werden. Aber ich war nicht darauf vor- bereitet, wie schmerzhaft diese Abnabelung auch für uns ist. «Ihr habt ja noch mich», tröstete uns am Samstagabend die Jüngste, die ihrerseits traurig war. Sie tänzelte davon in den Ausgang, wäh- rend wir in unserem viel zu grossen Haus zurückblieben.
Mein Mann und ich gingen dann ins Kino. In den Oltner «Lichtspielen» schauten wir uns die Komö- die «Wir Eltern» von Ruth Schweikert und Eric Bergkraut an. Der Film persifliert die Situation einer Zürcher Kleinfamilie, in der die 20-jährigen Zwillingssöhne der Mutter wie auch dem Vater auf der Nase herumtanzen. Am Schluss überlassen die Eltern den verwöhnten Balgen das eigene Nest. Es war zum Brüllen komisch, mir flossen die Tränen – endlich! Ein im Film auftretender Paarthera- peut sagte, die Glückskurve von Eheleuten erreiche ihren Tiefpunkt bei der Pubertät der Kinder, um nach deren Auszug wieder stark anzusteigen. Warten wir’s ab.