«Wir Atelianer»

Irène Dietschi, Journalistin.
Irène Dietschi, Journalistin.

«Traurig», sagt mein Vater und stellt sein Weinglas ab. «So weit musste es kommen, dass sie jetzt die Filetstücke verkaufen.» Es ist Sonntagmorgen, und wir reden bei einem Apéro über die Alpiq. Über die trüben Fakten, die im März für Schlagzeilen gesorgt haben: 830 Millionen Verlust 2015. Fast die Hälfte der Wasserkraftwerke soll veräussert werden. Ihre Beteiligungen an den AKWs Gösgen und Leibstadt will die Alpiq auf den Staat abschieben – so raten es die Konsulenten einer PR-Agentur in einem vertraulichen Papier, das peinlicherweise öffentlich wurde. «So etwas Einfältiges», brummt mein Vater und schüttelt den Kopf.
Mein Vater weiss, wovon er spricht: Er verbrachte fast sein ganzes Berufsleben bei der damaligen Atel. Er war ein «Atelianer» durch und durch, und wir waren eine Atel-Familie. Als ich Kind war, hatte das Unternehmen für mich etwas Heiliges, schon nur der Anblick der Engel an der Fassade erfüllte mich mit Ehrfurcht. In der fünften Klasse verbrachte ich mit anderen Atel-Kindern drei unvergessliche Wochen auf dem Hasliberg in der firmeneigenen Ferienkolonie. An der Kanti später war allgemeine Anti-Gösgen-Stimmung an-gesagt – und bei uns zu Hause gab es Zoff.
Alles längst passé. 2009 schloss sich die Atel mit der Westschweizer EOS zur Alpiq zusammen, um ein «führender Energiedienstleister mit europäischer Ausrichtung» zu werden. «Das war der der Bruch», bilanziert mein Vater an unserem sonntäglichen Apéro, «durch die Fusion wurde die Atel ausgeblutet.» Mein Vater blieb auch nach der Pensionierung ein überzeugter «Atelianer». Doch mit der Energie-Strategie der Alpiq ist er nie warm geworden. Wir erheben unsere Gläser und stossen feierlich an. Auf die Atel.

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