WhatsApp-Wahnsinn
Lange war ich überzeugt, dass ich die modernen Kommunikationsmittel trotz meines fortgeschrittenen Alters recht gut beherrsche. Doch jetzt muss ich gestehen: Ich bin gescheitert. Wer mich in die Knie gezwungen hat? Die WhatsApp-Sprachnachrichten!
Es begann harmlos: Meine Autorenkollegin Désirée Scheidegger und ich fingen an, uns auf WhatsApp via Ton statt Text auszutauschen. Das geht rascher und einfacher, so unsere Logik. Unsere ersten Sprachnachrichten waren ein bis zwei Minuten lang. Dann drei bis vier. Und plötzlich konnten wir nichts mehr unter fünf Minuten sagen. Da haben wir wieder aufgehört.
Dumm nur, dass in der Zwischenzeit mein Familien- und Freundeskreis die WhatsApp-Sprachnachrichten ebenfalls entdeckt hat. Diese treiben mich in den Wahnsinn. Ein Beispiel:
Ich (Text): «Hallo Urs, gehen wir heute mit unseren Söhnen kicken?»
Er (Sprachnachricht): «Hey Elie, altes Haus, lange nichts von dir gehört… Was machst du so? Stell dir vor, ich… bla bla bla… Fussball? Gerne.» 2 Minuten 50.
Ich (Text): «17h im Säli?»
Er (Sprachnachricht): «Sag mal, wollen wir… im Hintergrund quengelt ein Baby… ach sorry, das ist unsere kleine Emma… Rate mal, was die gerade macht? Sie… bla bla bla… 17 Uhr? OK.» 3 Minuten 55!
Kürzlich war eine Familie bei uns zu Gast. Am nächsten Morgen: Pling – Sprachnachricht! Die Mutter: «Ich möchte nur kurz für den netten Abend danken…» Es folgte ein fünfminütiger Sermon – über Wein, Windeln und das Oltner Wetter.
Was tun gegen diese Plage? Ich empfehle: Erhaltene Sprachnachrichten gnadenlos löschen. Niemand merkt, ob man die wirklich abhört. Und dafür die Leute anrufen. Genau, anrufen! Wie vor zwanzig Jahren. Persönliche Gespräche sparen zwar keine Zeit – doch sie machen richtig glücklich. Probieren Sie es!