«Von Deppen und Gescheiten»

Es ist eine statistischerhärtete Tatsache, dass der Anteil Deppen an der Gesamtbevölkerung überall auf der Welt gleich gross ist - auch in Olten, wo ich wohne. Trotzdem kann man zuweilen dem durchaus falschen Eindruck unterliegen, man lebe im Epizentrum des Kretinismus. Mir erging es kürzlich so, als mir auf der Strasse ein Unbekannter zuraunte, Solothurn sei von den Juden unter-wandert.

«Wie denn das?» fragte ich.

«Na, das grosse neue Hotel am Aareufer!»

«Das Ramada?»

«Ramadan, richtig. Wenn daskeine Juden sind!»

Ich liess den Mann grusslosstehen. Vielleicht wäre es meine Pflicht als Citoyen und Mitmensch gewesen, ihn geduldig darüber aufzuklären, dass es erstens völlig egal sei, welchem Glaubensbekenntnis Besitzer und Betreiber eines Hotels anhängen, und dass zweitens der Ramadan nicht die jüdische, sondern die islamische Fastenzeitbezeichne, und dass drittens das Hotel nicht Ramadan, sondernRamada heisse, was viertensSpanisch sei und einen schattigen Rastplatz bezeichne.

Aber all das sagte ich nicht. Es ging über meine Kraft, mich in eine fruchtlose Diskussion einzulassen, die ich wahrscheinlich verloren hätte, weil es geradezu das Erkennungsmerkmal aller Deppen ist, dass sie alle Debatten gewinnen. Trotzdem muss man sich ihnen stellen, ich weiss es.

Zwar sollte man sich nicht zu viel darauf einbilden, wenn man eher zu den Gescheiten als zu den Deppen gehört. Der Unterschied ist ja nicht sehr gross, was wissen die Gescheiten schon. Wissen sie, warum wir schlafen? Was ein Gedanke ist? Was nach dem Tod kommt? Was vor dem Urknall war? Woraus die dunkle Materie besteht? oder die dunkle Energie?

Kein Mensch weiss das. Gemessen an der gewaltigen Ahnungslosigkeit, die Gescheiten und Deppen gemein ist, sind die Wissensunterschiede verschwindend gering. Aber wichtig sind sie zuweilen doch. Dass Antisemitismus doof und gefährlich ist: das muss man wissen. Und lautstark darauf pochen. Bei jeder Gelegenheit. Leider. Alex Capus

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