«Voll daneben?»
![Irène Dietschi, Journalistin. (Bild: A. Albrecht)](/fileadmin/_processed_/1/8/csm_sao_2016-02-10_750_0900_660216_Dietschi_3dc7828862.jpg)
Die Meinungen unseres Nachwuchses waren einhellig. «Voll daneben!», urteilte die Mittlere, stellvertretend für die anderen. Die Diskussion beim Abendessen drehte sich um die Gemeinde- präsidentin Egerkingens. Diese will bekanntlich durchsetzen, dass auf ihren Pausenplätzen nur Deutsch geredet werden dürfe, und dass fehlbare Kinder mit einem Deutschkurs bestraft würden, den die Familien selbst bezahlen müssten. «Ein Unding», befand auch die Solothurner Präsidentin der SP und reichte Beschwerde beim Kanton ein, derweil unser SVP-Nationalrat aus Gretzenbach dermassen für die Idee erglühte, dass er sie auf die ganze Schweiz ausdehnen möchte (wobei er die drei anderen Landessprachen schlicht überging, doch an solchen Details scheint man sich in der SVP nicht aufzuhalten). Voll daneben – voll ins Schwarze. Dafür – dagegen, schwarz – weiss. Ist die Welt so einfach gestrickt? Liegen Antworten auf schwierige Fragen – und dazu zählt die Migration – nicht oft in der Uneindeutigkeit? Weil die Realität viel zu komplex ist, als dass man ihr mit einem schlichten «so ist es!» gerecht würde? Mein Gatte beschloss in unserer Familienrunde, den wohligen Konsens etwas aufzumischen: «Der Gedanke an sich ist schon richtig», warf er ein, «nämlich, dass man eine neue Sprache um so schneller erlernt, je mehr man ihr im Alltag ausge- setzt ist.»Und das sei ja wohl im Interesse von Schulkindern mit anderer Muttersprache als Deutsch. «Aber die Idee des Zwangs in Egerkingen ist störend, ja kindisch!», konterte die Mittlere. «Die haben nur Angst vor sprachlicher Vielfalt und sind unfähig zu differenzieren.»
So betrachtet, liegt Egerkingens Gemeindepräsidentin nicht voll daneben. Aber ziemlich.