Umzug
Liebe Leserschaft, ich muss dir was gestehen: Ich ziehe weg, weg von der Aare, von Gleislärm und Tankstelle und dem allmorgendlichen Risiko, am Sälikreisel schier überfahren zu werden, wenn ich aus dem Haus gehe. Ich ziehe weg von Automechs, die unter meinem Fenster auf Hoch- deutsch fluchen und manchmal etwas zu lange an Autos hämmern. Ich ziehe weg von dem Ort, an dem ich die letzten acht Jahre meines Lebens verbracht habe. «Ich finde, wir sollten zusammen- ziehen», schrieb mir meine in Aarau lebende Freundin eines Abends, nachdem unsere Leben sich wieder mal für ein paar Tage verpasst hatten. Weil Bürojob und Barjob.
Ich stellte zwei Bedingungen: Erstens bräuchte ich weiterhin genug Platz, um Musikerinnen und Freunden einen Schlafplatz anbieten zu können. Das gehört zu meinem Job, sagte ich, und zu meinem Leben. Den zweiten Grund könnt ihr euch denken. «Olten oder nirgends!», proklamierte ich energisch. Ich behaupte jetzt einfach mal, sie akzeptierte die Bedingungen wegen der Zunei- gung zu mir und nicht wegen der 20 Minuten mehr Schlaf am Morgen, die damit einhergehen.
Also ziehe ich um – auf die andere Stadtseite. «Jetzt gehörst du also endgültig zum Establish- ment», höhnte ein Freund, ein eingefleischter Bifangler, als er davon erfuhr. «Jetzt findet man dich also bald im Kafi Ring mit der Elite, he? Und an der Fasnacht!»
Ich verneine energisch und schwöre, wenn überhaupt, dann am Samstag auf den Markt zu gehen, und als Spion hinter feindlichen Linien der linken Stadtseite an der Wasserschlacht auf dem Gäu- bahn-Brüggli in den Rücken zu fallen. Denn wenn auch kindisch: Ein wenig schmerzt es mich schon, die Seiten zu wechseln. «Wenigstens nicht Aarau», tröste ich mich.