Trickspiele
Hey, wir sind da», meine Mitbewohnerin stupst mich an, ich öffne die Augen, schnappe mein Zeug und steige mit den anderen aus. Der Weg zur Uni an den Stadtrand: jeden Tag eine Stunde hin und zurück. In der Bahn haben wir mehr als einmal der Nacht eine Verlängerung gegeben und Schlaf nachgeholt. Gegenseitig haben wir uns geweckt. Fensterplätze waren ein Segen. Statt unaufhörlichem Kopfnicken bot die Scheibe Richtung Hamburger Grün und Grau Halt. Das Pendeln. Damals eine Pflicht, auf die ich gern verzichtet hätte. Hier in Olten aus der einen Tür zu stolpern, um die nächste zum Büro zu öffnen, ist hingegen sehr bequem. Aber manchmal fehlt mir die Zugfahrt am Morgen. Die Zeit, um im Tag anzukommen.
Das realisierte ich auch letzten Samstag. Morgens ging es nach Aarau. Acht Stunden lernte ich da mehr über meine Kamera, die auf dem Weg zum Bahnhof schwer an meiner Schulter hing. Und ich nahm den Bummelzug. Das mache ich manchmal absichtlich, verhänge mir eine Zwangsentschleunigung. Mit einigen Zwischenstopps kommt mir die Zugfahrt länger und entspannter vor. Sind ja noch ein paar Stationen, bis ich wieder in die Kälte muss, denke ich mir. Und mit Musik in den Ohren werde ich langsam wach.
Dass ich das Pendeln jetzt manchmal vermisse, ist natürlich ein Trickspiel meiner Erinnerung. Denn ich weiss auch, wer täglich pendeln muss, ärgert sich, wenn der Zug verspätet ist oder ganz ausfällt. Ärgert sich, dass das Essen des Sitznachbarn stinkt und sein Schmatzen nervt und steckt sich deshalb auch aus Protest die Kopfhörer in die Ohren. Aber ich pendle an diesem Samstag freiwillig, ignoriere mögliche Ausfälle und merkwürdige Sitznachbarn und freue mich darauf, noch ein paar Samstage mehr über das Fotografieren zu lernen – und zu pendeln.