Tempo 30
Neulich in der Oltner Innenstadt. Ich bin zum ersten Mal mit unserem Deutschen Wachtel in der Stadt unterwegs. Schliesslich soll auch ein Jagdhund lernen, sich im urbanen Umfeld zu bewegen. Und das dürfte ja in der verkehrsberuhigten Tempo-20-Zone nicht so schwierig sein, oder? Auf der Baslerstrasse kreuzen wir ein schnittiges Gefährt, das in der Schlange vor dem Rotlicht steht. Aus den heruntergekurbelten Fenstern wummern wuchtig die Bässe, immer wieder lässt der Lenker den Motor aufheulen. «Der ist wohl kein Fan von Tempo 30», sage ich zu meinem Hund, «und von Tempo 20 erst recht nicht.» Unser Vierbeiner hebt sein Hinterbein und markiert die Strassenecke – er ist in seinem eigenen Film unterwegs.
Also spreche ich zu Hause meine Liebsten auf das Thema an: «Was ist eigentlich so schwierig an Tempo 30?» Für meinen Gatten ist die Sache klar: Die Frage ist parteipolitisch. «Plädiert die Linke für entschleunigte Zonen, sind die Bürgerlichen by default dagegen, jedenfalls in Olten», sagt er. Die Mittlere hingegen sieht die Sache soziologisch: «Das Auto ist ein Machtinstrument», doziert sie, «und je schneller unterwegs, desto grösser der Raum, den es einnimmt, und desto grösser auch die Macht, die man ihm zugesteht.» Die ganzen praktischen Aspekte – dass das Auto einen zuverlässig von A nach B bringt oder zum Beispiel mobile Unabhängigkeit bis ins hohe Alter gewährt, sind für sie sekundär.
Ich seufze und sage nichts, stattdessen denke ich mich zurück in die Baslerstrasse. Als die Ampel auf Grün springt, schiesst der wummernde Schlitten wie aus Startblöcken befreit über die Kreuzung. «Der hat bestimmt 100 Sachen drauf!», rufe ich zu meinem Hund. Der hebt nur abermals das Bein.