«Swissness»

Ich habe einen Nachbarn, der jetzt aber mal nicht Urs heisst, weil er ein paarKilometer nördlich des Rheins geboren ist, wo man den Kindern andere Vornamen gibt - nicht ganz andere Namen, nur so ein bisschen andere. Wir sind seit vielen Jahren Nachbarn, in Frieden ziehen wir Seite an Seiteunsere Kinder gross. Und jetzt sitzt er mit einem Aktenordner im Garten und büffelt, weil er mit Frau und Kindern Schweizer Bürger werden will. Dafür muss er einen Kurs besuchen an fünf Nachmittagen zu vier Stunden. Zum Schluss gibt’s eine Prüfung. Und einen Einzahlungsschein.

«Darf ich mal sehen?», fragte ich.

«Hier bitte», sagte er.

Ich fing an zu blättern und blieb hängen auf Seite 3, Modul 1:Vielfältige Schweiz. Kapitel 1:Typisch schweizerisch. Unter-kapitel 1.1 Erkennungsmerkmale der Swissness.

Hier wird den Kandidaten eine Liste mit Swissness-Erkennungsmerkmalen abgegeben. Die Liste ist alphabetisch geordnet. Ich finde die Reihenfolge zum Totlachen, vor allem am Anfang. Ich schwöre, dass ich nichts weggelassen und nichts hinzugefügt habe. Ich zitiere:

« 1.1. Erkennungsmerkmale - Swissness

Alphorn, Bankgeheimnis, Bernhardiner, Birchermüsli, Cervelat, Demokratie, DJ Bobo, Emil,Emmentaler, Frauenstimmrecht, Gewehr im Schrank, Gotthard, Guisan, Helvetia, Käsefondue, Kuhglocke, Matterhorn, Nestlé, Pestalozzi, Pilatus, Raclette, Rigi, Rösti, Rotes Kreuz, Rütli, SBB, Schweizer Franken, Schweizer Offiziersmesser, Schweizer Uhren, Schwingen, Swissair, Schwyzerdütsch, Tell, Toblerone, Vier Landessprachen, Zürcher Geschnetzeltes, Volksmusik.»

So, Zitat Ende. Ich reichtemeinem Nachbarn den Ordner zurück. «Musst du das alles auswendig können?», fragte ich.

«Nur drei davon», sagte er.

«Dann mal los», sagte ich.

Mein Nachbar legte die Stirn in Falten und schaute zum Himmel hoch. «Alphorn, Bankgeheimnis, Bernhardiner..:»

«Swissness-Prüfung bestanden», sagte ich.

Alex Capus

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