«Sorglos»

Über Allerheiligen sind wir drei Tage nach Italien zu einer Beerdigung gefahren. Im Gotthardtunnel fiel mir ein, dass ich mein Velo - nicht abgeschlossen - in der Kirchgasse hatte stehen lassen. Und kurz vor Chiasso fragte mich meine Frau, ob ich die Haustür abgeschlossen hätte. Ich sagte Nein. Sie hatte gedacht, ich würde das machen. Ich hatte gar nichts gedacht.

Bei der Heimkehr stand das Velo noch immer in der Kirchgasse. Und zu Hause war die Tür nicht abgeschlossen, aber es warniemand eingetreten. Alles in Ordnung.

Ich will damit sagen: So furchtbar gefährlich, wie wir zuweilen meinen, ist das Leben in Olten nun auch wieder nicht. In Zofingen auch nicht, und in Muttenz wohl auch nicht. Gewiss wird da und dort mal eingebrochen oder eine Handtasche entrissen, und bei Schlägereien fliesst Blut. Ich will das nicht verharmlosen. Wem das widerfährt, der erlebt Schlimmes. Es gibt auch Tötungsdelikte. In Olten, soweitich es überblicke, alle zehn oder zwanzig Jahre eines. Das ist selten. Immer noch zu oft, gewiss. Aber selten.

Trotzdem fürchten wir uns.Frauen getrauen sich nachts nicht mehr ins Freie, Männer bald auch nicht mehr. Wir lesen, was täglich auf der Welt geschieht - Amoklauf in USA,Vergewaltigung in Indien,Massenmord in Kenia - unddenken, dass das auch hier passieren kann. Das kann es tatsächlich. Aber nicht täglich, sondern alle paar Jahrzehnte einmal. Und nicht uns allen, sondern nureinem oder zweien.

Objektiv gesehen leben wir hier sehr, sehr sicher. Jede Statistik beweist das. Die Wahrscheinlichkeit für jeden einzelnen von uns, jemals im Leben Opfer einesVerbrechens zu werden, ist verschwindend gering. Statistisch geht die grösste Gefahr nicht vom Fremden in der Nacht aus, sondern vom eigenen Ehepartner in der guten Stube.

Aber das heisst doch nicht, dass wir uns vor unseren Liebsten fürchten sollen. Lasst uns fröhlich und sorglos sein, wie es die Statistik empfiehlt. Das Lebenist kurz.

Alex Capus

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