«Sechser im Lotto»
Einer meiner sehr geschätzten Kunden, ein treuer Veranstalter, ist oft im Orient auf Geschäfts- reisen. Nah und fern. Im Herbst 2014 besuchte er Istanbul. Nach getaner Arbeit setzte er sich im europäischen Teil dieser offenbar äusserst faszinierenden Weltstadt im Stadtviertel Sultanahmet in ein hübsches Kaffee. Ganz in seiner Nähe, eine, gemäss seinen Worten, hoch attraktive Frau. Sie las. Er trank Tee. Es kam wie es kommen musste, die Blicke trafen sich. Bald sprach sie ihn an, bemerkte, dass er vermutlich kein Türke sei. Ihre Herkunft: Ostdeutschland.
Er sei aus Solothurn, sagte er und sie: «Das ist doch in der Nähe von Olten.» Es folgte ein «Ja», das vermutlich nicht allen Solothurnern leicht über die Lippen rutscht. Sie erklärte, sie läse die Bücher eines Oltner Autors. Alles klar: Otto F. Walter, Franz Hohler, vielleicht Capus, Bichsel oder Lenz, denke ich. Er wollte es genauer wissen. Die Antwort: «Rhaban Straumann.» Hoppla. Allerseits grosse Überraschung. Wie klein die Welt doch ist. Er kenne diesen Autoren persönlich, freute er sich und sie zückte ein Buch: «Wolken melken». «Wie kommt das?» Wollte er wissen.
Ein langjähriger Bekannter ihrerseits arbeite in der Schweizer Botschaft und beliefere sie mit den bescheidenen (meine Anmerkung) Werken des Oltner Autors mit dem fremd klingenden Vornamen. Sie selbst unterrichte Deutsch an einer Istanbuler Schule und lese mit ihren Zöglingen aktuell dieses Buch. Dem Lesestudium folge eine schriftliche Arbeit. Ha! Kleine Schadenfreude meinerseits. Vor allem aber viel Genuss, denn wie der Veranstalter seinem Publikum diese Geschichte erzählte, das war mein persönlicher Lotto-Sechser. Danke.
