"Schwangerschaftstest"

Kürzlich stand ich bei meinem Nachbarn Urs am Gartenzaun, als mein
anderer Nachbar vorbeikam, der ebenfalls Urs heisst. Er hatte
einen hellblauen Ansteckknopf am Revers, auf dem sonderbarerweise
«Ja Olten+» stand.
«Was ist das?», sagte Urs. «Ein Schwangerschaftstest?»
«Oder deine Blutgruppe?» sagte ich.
«Ihr seid Quatschköpfe», sagte der andere Urs. «Der Knopf bedeutet, dass ich Ja sage zur Fusion zwischen Olten und Trimbach.»
«Und ich dachte schon, du trägst ein süsses Geheimnis unter dem Herzen.»
«Pass auf, dass du keinen Unfall machst, solange du den Knopf trägst», sagte ich. «Die Ambulanz gibt dir sonst das falsche Blut.»
«Am Bahnhof gibt’s Schwangerschaftstests im Süssigkeiten-Automaten, habt Ihr das gewusst?» sagte Urs. «Die Marke heisst «Maybe-Baby». Und die Packung ist hellblau, genau wie dein Knopf.»
«Früher haben nur Feministinnen Ansteckknöpfe getragen», sagte ich. «Die waren lila, und es stand SAGEN-SIE-FRAU-ZU-MIR drauf. Vincenzo hat einen ganzen Sommer lang einen getragen, wisst Ihr noch? Wir haben uns totgelacht.»
«Habt Ihr eigentlich Ja gestimmt zur Stadthaus-Sanierung?» sagte der andere Urs.
«Ja.»
«Na ja.»
«Wisst Ihr, welche Generalunternehmung den 13,5-Millionen-Auftrag bekommen hat?»
«Keine Ahnung», sagte ich.
«Die gleiche, die schon den 12-Millionen-Auftrag zur Sanierung des Eisstadions bekommen hat.»
«Was du nicht sagst», sagte ich. «Aber die Aufträge wurden doch öffentlich ausgeschrieben? Und die Offerten anonymisiert eingereicht?»
«Ja», sagte Urs.
«Dann ist doch alles in Ordnung», sagte ich.
«Aber die städtische Jury hatte in beiden Fällen den gleichen neutralen Berater als einzigen Baufachmann beigezogen.
Und wisst Ihr was?»
«Was?»
«Der Berater war früher Mit-Inhaber der Generalunternehmung, welche die beiden Millionenaufträge bekommen hat.»
«Aber jetzt nicht mehr?»
«Nein, jetzt ist er neutral.»
«Solche Zufälle gibt’s.»
«Die Generalunternehmung wird halt die beste sein. Dann ist es doch nur
logisch, dass sie beide Aufträge bekommen hat.»
«Tja.»
«Hm.»