«Roter Güggel»
![Irène Dietschi, Journalistin. Daniela Friedli)](/fileadmin/_processed_/9/f/csm_sao_2015-07-22_750_0900_362976_Dietschi_1_d951d6cbdb.jpg)
Ich war in der Muckibude, als es knallte. Sie wissen schon: «Aarepark», der Grossbrand beim Bahnhof Olten mit den gewaltigen Explosionen vor neun Tagen. Ein junger Kerl absolvierte in dieser Stunde gerade sein Einführungstraining (das er wohl seinen Lebtag nicht mehr vergessen wird), die anderen aber, ich inklusive, klebten an den Scheiben statt auf den Geräten, und verloren sich in der gigantischen schwarzen Rauchsäule. Klaus schlossirgendwann Fenster und Oberlichter.
Am nächsten Tag stürzte ich mich zu Hause auf die Zeitung, «roter Hahn wütete in Olten», las ich laut. «Der rote Hahn?», wiederholte mein Gatte stirnrunzelnd – mit einem Unterton, der mich bei allem Ernst des Geschehens zum Kichern brachte und in Phantasiemodus versetzte. Ich begann mir diesen roten Hahn vorzustellen, wie er auf dem Dach des «Aareparks» niederging, ein geflügeltes, zündgüggelrotes Ungetüm, das tobte und raste und um sich schlug, denBitumen-Belag mit seinem Atem zum Glühen brachte und dann mit dem Schnabel in Stücke riss. Und dann packte dieser rote Berserker-Güggel die Gasflaschen, die unglücklicherweise auf dem Dach deponiert waren, und schleuderte eine nach der anderen mit einem teuflischen «Kikerikiii» himmelwärts, wobei ereines dieser Geschosse mit gewaltiger Wucht aufs Dach des «Galicia» schmiss (von wo es in den Nachbargarten stürzte und die Leute dort nur knapp verpasste), so als wollte er dort eine Marke setzen; wie unser Hund, wenn er morgens an neuralgischen Stellen sein Bein lüpft. «Du hast recht», antwortete ich meinem Gatten, «manche Sprachbilder sollte die Zeitung besser vermeiden.» Denn am 14. Juli hat es in Olten gebrannt. Ohne Witz.