Richtungen

Daniel Kissling, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)
Daniel Kissling, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)

Ich bin links. Zumindest sagt man das. Ich sei der Chef eines «links-alternativen Lokals» hiess es letzte Woche in der Zeitung, sei Mitglied einer «linken Partei» (dieselbe Zeitung) und im Internet kursierte mal eine Liste mit «linkem Dreck», auf der mein Name stand. Doch was heisst das eigentlich, links? Bin ich links, weil in meiner Bar die Tische abgewetzt und die Toiletten mit Stickern verklebt sind? Bin ich links, weil ich der Überzeugung bin, dass Dialog besser ist als Repression und genug Stellenprozente in der Verwaltung für sinnvoller halte als überarbeitete Angestellte und mickrige Dienstleistungen?

Als ich am Samstagnachmittag durch die Stadt lief, geriet ich mitten in die UNIA-Demonstration. Tausende Gewerkschafter/innen zogen mit Trillerpfeifen und Flaggen durch die Innenstadt und forderten höhere Löhne auf dem Bau. Dass sie sich in Olten versammelten, hatte wohl weniger mit der politischen Ausrichtungen unseres Städtchens zu tun, als mit seiner zentralen Lage. Trotzdem ist Olten – zumindest auf dem Papier – eine linke Stadt. Nicht nur ist die SP stärkste Partei, im Stadtrat herrscht eine rot-grüne Mehrheit und mit SBB und Swisscom dominieren Staatsbetriebe den Arbeitsmarkt.

Ein Linker in einer linken Stadt – wunschlos glücklich sollte ich also sein. Warum ich es doch nicht bin, mich stundenlang enervieren kann über diese Stadt, ihre Regierung, ihre Menschen? Vielleicht liegt es daran, dass auf den Toiletten im Stadthaus keine Sticker kleben und die Tische schön glatt sind statt abgewetzt. Oder vielleicht auch daran, dass heute jeder das Etikett «links» verpasst bekommt, der daran glaubt, dass die Welt noch etwas besser sein könnte, würden wir Menschen uns nur ein bisschen mehr anstrengen.

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