Parlez-vous français?
Die «île flottante» oder die «cuisse de caille» verstehen sich problemlos – aber was ist ein «maigre»? Wir brüten über dem Menü des exklusiven Restaurants, das mein Gatte und ich zusammen mit Schweizer Bekannten im ländlichen Frankreich besuchen. Der Mann des Ehepaars hat sich aus der Diskussion ausgeklinkt – er spreche die Sprache nicht, sagt er mit einem Anflug von Trotz.
Damit ist er natürlich in bester Gesellschaft. Während Englisch dank Netflix, der Popkultur oder den Social Media breite Gesellschaftsschichten durchdringt, ist Französisch ungefähr so populär wie Spitzenklöppeln. In der Deutschschweiz ändert daran auch der Französischunterricht auf Primarstufe nichts. «Es ist für die Füchse!», seufzt unsere Bekannte, die selber als Primarlehrerin arbeitet, «in der dritten Klasse haben die Kinder genug damit zu tun, richtig Deutsch zu lernen!»
Mir gehen die diesbezüglichen Erfahrungen unserer eigenen Kinder durch den Kopf. Vom Französischunterricht aus der Primarschulzeit blieb bei keinem etwas hängen. Sie lernten buchstäblich nichts. Was nicht bedeutet, dass ihnen die Sprache verschlossen geblieben wäre: Alle drei entdeckten das Französische nach der obligatorischen Schulzeit, unser Ältester hat es gar zu seinem Hauptstudienfach gemacht. «Französisch gehört an die Oberstufe!», meint unsere Schweizer Bekannte, während uns eine Köstlichkeit nach der anderen serviert wird – vorher seien die Kinder überfordert.
Für mich selbst ist Französisch so etwas wie ein Lebensprojekt. Um Proust zu lesen, reicht es zwar nicht, wohl aber für die tägliche Zeitung, den zeitgenössischen Roman oder für den Schwatz in der Boulangerie. «Maigre» aber muss ich nachschauen: Es bedeutet Adlerfisch.