Nicht schniek
Rang 475 also. Diesen Platz hat das Gemeinderating 2020 der «Weltwoche» für die Stadt Olten ergeben. Das rechtsbürgerliche Blatt lässt von einer Beraterfirma jährlich berechnen, wie attraktiv die 933 Schweizer Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern sind; gewichtet werden Kriterien wie Wohnen und Arbeitsmarkt, Steuerbelastung oder Sicherheit. Rang 475 ist hinteres Mittelfeld. Aber immerhin viel besser als Schönenwerd (826) oder Trimbach (859) oder Wangen bei Olten, das weit abgeschlagen Rang 926 belegt. Das ist der siebtletzte Platz.
Mein Kollege vom Radiostudio lacht laut heraus, als ich ihm die Geschichte erzähle. «Mit dem Lebensgefühl der Menschen hat dieses Rating ja nicht viel zu tun», meint er. Mein Kollege – der in Basel lebt – bezeichnet sich als bekennender Olten-Fan. Rund alle zwei Monate trifft er hier seine Freunde, die aus Bern oder Zürich oder Schaffhausen anreisen. «Aber es ist mehr als das Verkehrstechnische», sagt er. «Olten hat diesen unprätentiösen Charme der Kleinstadt, es ist provinziell im besten Sinn: Du kannst dich irgendwohin setzen, in die Altstadt oder an die Aare oder ins Galicia, und im nächsten Moment kommst du mit den Leuten ins Gespräch.» Da sei nichts Schniekes wie etwa in Zürich. Klar sei Olten ein Nebelloch und ein Kaff, schlimm verbaut wie das ganze Mittelland. «Aber es hat viele schöne, sehenswerte Ecken», sagt er, «und dann die Jurahügel rundherum mit ihren Bergbeizen, dem grandiosen Ausblick auf Alpen und Schwarzwald... Aber wem erzähle ich das!»
Es gab eine Zeit, da wollte ich aus Olten nur noch fliehen, vom Nebel in die Sonne und in die Welt hinaus. Jetzt möchte ich hier nicht mehr weg. Wer interessiert sich schon für ein Rating.