«Nadeln»
Dieser Winter war auch in Olten hart und lang, das kann ich bestätigen. Ich selber habe vier Monate lang gehustet, dass man das Knacken der Rippen drei Häuser weiter noch hören konnte. Ganze Apotheken habe ich leer geschluckt, nichts hat geholfen; nicht der Sirup von Roche und nicht das Brauseding von Spirig, und nicht mal die lila Pastillen aus afrikanischem Wüstenblumen-Extrakt, die mir das nette Fräulein in der Kreuz-Apotheke empfohlen hat. Diese Pastillen helfen bei mir einfach nichts, weil sie so klein sind und ich so gross.
Nach hundert Tagen Husten hat mich meine Frau gegen meinen ausdrücklichen Willen ins Ambulatorium des Kantonsspitals geschleppt. Dort hat man mir bestätigt, dass ich weder Krebs noch Tuberkulose, sondern den Husten hätte, und empfahl mir die Brausedinger von Spirig. Darauf schleppte mich meine Frau zu den Chinesen ins Chinamed-Zentrum hinter dem Bahnhof, was ich zwecks Erhalt des häuslichen Friedens geschehen liess. Ich legte mich also auf den Schragen. Frau Doktor Wuah steckte mir zwanzig Nadeln in den Leib. Dann schaute sie mich streng an und sagte: «Und? Schon besser?»
Ich: «Wie? Was?»
Frau Doktor Wuah: «Wissen Sie, Akupunktur wirkt sehr schnell.Sofort.»
Ich stand also auf und zog mich wieder an - und was soll ichsagen, meine Damen undHerren: Der Husten war weg.
Nur dass ich letzte Woche, als ich zur Nachkontrolle sollte, die Nachricht erhielt, dass Frau DoktorWuah leider krank sei. Und diese Woche war sie immer noch krank. Ich hoffe, ich habe ihr nicht meinen Husten angehängt. Wieso macht sie nicht an sich selbst Akupunktur? Vielleicht nützt das bei ihr nichts mehr? Gibt’s bei Nadeln Resistenz, wie bei Antibiotika?
Ich hoffe, sie wird bald wieder gesund. Spätestens, bis ich wieder krank werde. Nächsten Winter gehe ich gleich zu ihr. Solange es hilft, hilft’s. Alex Capus