«Knacknüsse»
Früher tummelten sich in meinem Garten allerlei Eidechsen, Blindschleichen und Singvögel, manchmal hoppelte auch ein Eichhörnchen vom Stadtpark herüber. Seit meine Nachbarn so viele Katzen haben (durchschnittlich 2,3 Katzen pro Haushalt), ist da nur noch der Quartier-Igel. Im Winter hört man ihn husten in seinem Laubhügel. Im Spätsommer raubt er mir den Schlaf, weil er zu nachtschlafender Stunde Haselnüsse knackt und ich bei jedem Knacken meine, ein bulgarischer Räuber mache sich an meiner Balkontür zu schaffen. «Hörst du den Igel nachts auch Nüsse knacken?» fragte ich kürzlich meinen Nachbarn Urs.
«Nachts schlafe ich», sagte Urs. «Aber hast du gehört vom Streit in der Oltner Regierung?»
«Nein», sagte ich. «Worum ging’s denn?»
«Die vier bürgerlichen Minister haben sich furchtbar aufgeregt, weil ihr SP-Kollege ungefragt zehn zusätzliche Asylbewerber vorübergehend im Kleinholz untergebracht hat.»
«Da hätte er die anderen vielleicht fragen sollen» sagte ich. «Aber nur zehn? Vorübergehend?» «Die Polizeidirektorin befürchtet einen markanten Anstieg der Kriminalität im Städtchen», sagte Urs.
«Wegen der zehn Tunesier?»
«So hat man’s mir erzählt.»
«Zehn ist nicht viel», sagte ich. «Tunesien hat während der libyschen Revolution zwei Millionen Libyer aufgenommen.»
«Tunesien ist ja auch grösser als Olten», sagte Urs.
«Aber doch nicht zweihunderttausend Mal», sagte ich.
«Sonst hätte Tunesien ja, lass mich rechnen, 350 Millionen Einwohner. Mehr als die USA.»
«So gesehen hast du recht»,sagte Urs.
«Aber wenn die 350 Millionen alle nach Olten kämen…»
«Zehn Tunesier ist nicht viel», wiederholte ich.
«Womöglich sind die gar nicht alle kriminell. Zumindest nicht rund um die Uhr.»
«Was ist denn jetzt mit dem Igel», sagte Urs.
«Nichts», sagte ich. «Den können die Katzen nicht totbeissen. Wegen der Stacheln.»
Alex Capus
