Jeder Kilometer
Zum ersten Mal nach sechs Monaten geht es für mich zurück in den Norden. Mit der Tram über die Grenze. Der Flieger darf nicht und ist jetzt auch preislich da angekommen, wo er vielleicht schon lange hätte sein sollen. Die Zugfahrt ist in jedem Fall die günstigere Alternative. Auch wenn sie nicht günstig ist. Hinter der Grenze: Maske auf. So geht es sieben Stunden Richtung deutscher Küste.
Die Tage in der Heimat, am Wasser, sie vergehen wie im Flug. Ich spüre den Ostseestrand unter meinen Füssen, den Drachen in der Hand und die Nichte dicht neben mir. Dazwischen Frühstück und Abendessen mit Freunden und Familie. Die gastronomische Vielfalt ist riesig und die U-Bahn bringt mich von A nach B.
Im Vergleich zu den vier Tagen vor Ort vergeht die Rückfahrt wie in Zeitlupe. Im Flugzeug nahm bisher die längste Strecke die kürzeste Zeit der Reise in Anspruch. Eine Stunde im Flugzeug und schon hatte ich Schweizer Boden unter den Füssen. Im Zug sitze ich nun sieben - und spüre jeden Kilometer. Jeder Kilometer lässt mich spüren, was ich vor drei Jahren zurück-gelassen habe. Freiwillig und gern. Aber auch nach drei Jahren wird das Herz in Momenten wie diesen manchmal ein klein wenig schwer.
Und während ich durchs flache Grün fahre, kommt mir ein Gedanke: Es war meine eigene Entscheidung zu gehen. Doch da draussen gibt es Menschen, die ihre Heimat und ihre Familien auch verlassen: unfreiwillig. Wie fühlt sich wohl dann jeder einzelne Kilometer an? Wenn er zu Fuss, übers Wasser oder unter LKW’s auf sich genommen werden muss? Ich bin auf einmal sehr dankbar - dass ich jederzeit für einen Besuch heimkommen darf.