Immerhin
Sonntag Nachmittag. Beim Imbiss vis-à-vis ist so viel los wie schon lange nicht mehr, genauer wie seit acht Wochen nicht mehr. Mit einem Gartenschlauch spritzen sie die Pollen von den Gartentischen ab. Später, als es schon dunkel wird, kratzen und quietschen die metallenen Tischbeine im Inneren über den Plattenboden. Mit dem Massband wird kontrolliert, ob noch ein weiterer Platz hat. Am Ende schauen sie ganz zufrieden. Sechs Tische – immerhin.
«Immerhin», dieses Wort kommt mir in diesen Tagen oft in den Sinn. Wahrscheinlich gibt es keines, das die aktuelle Stimmung adäquater beschreibt. «Immerhin ist nicht Krieg», sagt mir ein Freund, der als Teil der «grössten Mobilmachung seit dem 2. Weltkrieg» die letzten 8 Wochen auf einem Ostschweizer Waffenplatz Ping Pong gespielt hat. «Immerhin ist das Benzin günstig», sagt meine Grossmutter, auch wenn sie sich darüber ärgert, nicht nach Deutschland einkaufen fahren zu können. Immerhin leben wir in einem Land, in dem die Gesundheit der Grosseltern den meisten wichtiger ist als das Bruttoinlandprodukt, denke ich. Immerhin haben wir jetzt mal gespürt, wie anstrengend es ist, Kinder zu unterrichten und wie angewiesen wir auf Pfleger/innen sind. Immerhin haben wir einmal ein paar Minuten für sie geklatscht.
«Immerhin geht es jetzt weiter», denke ich und denkt sich vielleicht auch der bärtige Kebab-Kurier, als er auf den Parkplatz kurvt und beim Aussteigen wie so oft einen türkischen Pop-Song schmettert. Wie es wohl dem Musiker geht, der das Lied geschrieben hat? Während Restaurants und Bars wieder öffnen dürfen, bleiben Konzerte weiterhin verboten. Immerhin darf das Gesundheitspersonal den ganzen Applaus für sich behalten.