«Ich! Ich! Ich!»

Irène Dietschi, Journalistin. (Bild: Daniela Friedli)
Irène Dietschi, Journalistin. (Bild: Daniela Friedli)

«Weisst du schon, wen du am 18. Oktober wählst?», fragte mich unser Ältester. Er selbst tendiere zu den Grünen. Ich nickte. Für einen frischgebackenen Biologiestudenten ist Grün eine konsequente Wahl. Aber wen würde ich selber an den kommenden National- und Ständeratswahlen wählen? Gute Frage. Die Fahrt ins Büro von Hägendorf nach Olten, die ich meistens mit dem Velo unter die Räder nehme, kommt mir seit zwei Wochen vor wie ein Spiessrutenlauf. Von links und rechts lächeln mir Köpfe entgegen, die Plakate hängen an Laternen, Zaunpfählen und Baumstämmen, in dichter Folge und in bunten Farben. Manche der Abgebildeten kenne ich persönlich, die meisten jedoch nicht, «Ich! Ich! Ich!» scheinen sie allesamt von ihren Posten am Strassenrand zu proklamieren, und das ist das Problem: In der uniformen Präsentation sind diese um die Wählergunst Buhlenden kaum zu unterscheiden.

Was ich mir wünschte in diesem Solothurner Wahlkampf: dass die Kandidierenden mehr Kanten zeigten. Und zwar nicht in der Komfortzone der eigenen Partei oder beim netten Gipfeliverteilen am Oltner Bahnhof, sondern in der unmittelbaren politischen Auseinandersetzung. In Zürich haben das der ehemalige Botschafter Tim Guldimann (SP) und «Weltwoche»-Chef Roger Köppel (SVP) spektakulär vorgemacht: Sie sind buchstäblich miteinander in den Ring gestiegen und haben mit offenem Visier gezeigt, was sie rhetorisch und an Lösungsvorschlägen draufhaben.

«Weisst du, ich wähle Personen, die ich für wirklich brillant und integer halte», antwortete ich meinem Sohn. «Solche, die über den eigenen Tellerrand hinaussehen, die in Teams arbeiten und gemerkt haben, dass die Welt im Umbruch ist.» Keine Köpfe, sondern Menschen mit Profil.

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