«Hinter dem Spiegel»
Ich schreibe nicht immer an meinem Schreibtisch zu Hause. Oft, weil ich mit der Ordnung des Öfteren hadere, arbeite ich auch im Coq d’Or, wenn es geschlossen ist. Am immerselben Tisch, den langen gleich vor der Bühne, richte ich mein Büro ein, der Aussicht wegen. Mein Blick geht in den Schankraum und durch die grossen Bogenfenster auf die Tannwaldstrasse hinaus. So sehe ich, wenn jemand kommt, den ich erwarte, oder jemand vorbei geht, den ich kenne, oder einfach
jemand vornedran steht und raucht. Oder ich kann beobachten, wenn jemand vom Essen beim tibetanischen Imbiss um die Ecke (Geht hin! Es lohnt sich!) noch was zwischen den Zähnen hat und das unbedingt loswerden will. Von drinnen nämlich sieht man nach draussen, von aussen nach innen nur schwer. Dort spiegelt sich die Sonne im Glas und lässt es zum vermeidlichen Spiegel werden. Und mich zum Voyeur wider Willen. Denn versucht ihr euch mal zu konzentrieren, wenn euch eine junge Frau gerade unwissentlich anstarrt, um sich die Wimpern zu zupfen. Und den alten Herren höflich darauf hinzuweisen, dass er nicht so alleine ist, wie er meint, wenn er sein Sandwich auf der Fensterbank seziert, und dass er doch bitte die ungeliebte Essiggurke wieder mitnehmen solle, wenn er fertig ist, geht derweil auch nicht. Man will ja keinen Herzinfarkt verursachen.
So schaue ich also auf die Tannwaldstrasse und frage mich, wie oft mich wohl schon jemand dabei erwischt hat, als ich dachte, ganz mit mir allein zu sein. Und wenn ich euch jetzt auch noch erzähle, dass ich sogar durch den Bahnhof, über die Aare bis auf die andere Stadtseite schauen kann, wenn ich aufstehe – Big Kissi is watching you!