«Hinsetzen verboten»
Der anonyme Fälscher amtlicher Verbotsschilder ist immer noch unter uns. Im Bahnhof Olten unter dem schönen neuen Glaskubus, der ja ein bisschen an die Glaspyramide des Louvre erinnern würde, wenn nicht die roten Neonröhren an ein wesentlich älteres Gewerbe erinnern würden -unter dem Glaskubus also hat er ein Schild angebracht, das uns das Hinsetzen auf die Treppe verbietet.
Es sieht verdammt echt aus, viel echter als die Fälschungen stadtpolizeilicher Verbote, die man daran erkennt, dass sie von Rechtschreibefehlern strotzen. Es weist keine Schrift und also auch keine Schreibfehler auf, hier ist es das Verbot selbst, das den Fälscher entlarvt. Denn es ist unmöglich, dass die SBB das Hinsetzen auf der grossen Treppe verbieten. Das würde ja heissen, dass jedes Grosi etwas Verbotenes tut, wenn ihm an einem tüppigen Sommertag trümlig wird und es sich zum Verschnaufen kurz auf die Treppe setzt.Bekommt das Grosi dann einen Strafzettel? Oder droht ihm der Bahnpolizist nur mit dem Knüppel? Und im Wiederholungsfall? Gefängnis?
Weshalb hat sich das Grosi überhaupt auf die Treppe gesetzt? Weil am Bahnhof Olten die Sitzbänke entfernt wurden. Warum wurden sie entfernt? Weil zuweilen biertrinkende Taugenichtse drauf sassen und nervten. Haben sich die Taugenichtse seither in Luft aufgelöst? Nein, sie sitzen jetzt neben dem Grosi auf der Treppe und nerven. Werden sie sich mit dem Sitz-Verbot in Luft auflösen? Nein, sie werdenwoanders nerven.
Früher gab es am Bahnhof Beamte, die unbewaffnet für Ordnung sorgten und die Taugenichtse nötigenfalls wegschickten. Jetzt sind die Beamten privatisiert, sie arbeiten in Büros und müssen in Bildschirme gucken. Draussen sieht man fast nur noch Knüppelpolizisten, Verbotsschilder und Kameras. Ob das unter dem Strich billiger ist, weiss ich nicht. Ich weiss nur, dass mir die Sitzbänke bessergefielen als das Verbotsschild. Und dass ich mich mit Beamten sicherer fühle als mit Knüppelpolizisten. Alex Capus