Hey, du!
Hallo Kurt, ich hoffe das Du ist für dich in Ordnung?», starte ich meine Mail an die mir unbekannte Person. Ist es. Mehr oder weniger. Der Trend zum Du liesse sich wohl genauso wenig wie das Altern aufhalten. In meiner Welt ist das Du normal. Es ist eine schwedische Gepflogenheit, die ich früh mit auf den Weg bekam. Meine Mutter hat viele Jahre für den gelbblauen Möbelriesen gearbeitet. Viele Geschäftsreisen gingen in den Norden. Ins schwedische Älmhult durfte ich mitkommen, einen Blick hinter die Kulissen werfen, und einige Ferientage verbrachte ich im schwedisch geprägten Hamburger Grossraumbüro. Hier wurde geduzt. Konsequent, über alle Hierarchien. Für mich auch jetzt noch völlig normal.
Das Du als Entwicklung. Ich war überrascht und begann zu hinterfragen. Was kann das Du, was das Sie nicht kann? Und umgekehrt: Was verpasse ich beim Siezen? Kurt schreibt, Annett Louisan singe von der «Siezgelegenheit»: «Sagt man ‹Naja, ich bitte Sie› / Übt man Kritik voll Harmonie». Ist es das? Liesse sich mit dem Sie Kritik mit der nötigen Distanz äussern, damit sie genau so ankommt, wie sie gemeint ist? Ich lese mich ein. Das Siezen zeige Respekt. Das liesse für mich spontan die Schlussfolgerung zu, das Du sei respektlos. Oder wäre es nur respektlos einfach zu duzen, ohne vorher zu fragen? Für mich hängt Respekt von mehr als einem Wort ab, ist mehr der Umgang mit dem Gegenüber zwischen den Zeilen, abseits der Worte.
Ich kann Kurt und Annett verstehen. Das Sie hat seinen Reiz, doch möchte ich es nicht hergeben, das Du, und bevorzuge es weiterhin. Auch wenn die Nähe, die man mit dem Du gewährt, angreifbar macht, sie vereinfacht auch. Aber: Ich frage nun weiterhin und bewusster, ob ok, das Du.