«Glocken»

Olten ist bekanntlich die Welthauptstadt des Kirchengebimmels. Auch wochentags, vor allem aber am Sonntag morgen dröhnt’s aus allen Rohren, wenn Protestanten, Christkatholiken und Römischkatholische ihre Rechtgläubigen um die Wette zum Gebet rufen - fehlt nur noch, da ja eh schon alles egal ist und sämtliche Igel im Hardwald ein Bombentrauma haben, der Muezzin auf demMinarett.

Wir Oltner haben uns daran gewöhnt. Reklamieren hat noch nie geholfen. Die Kirchen beharren auf ihrem akustischen Kulturkampf und wollen ihr Gedröhn um keinen Preis einschränken.

Wie ich jetzt erst erfahre, wurde es aber einst sogar dem Pfarrer zu Sankt Martin zu viel. Dieser wohnt von Berufes wegen im Pfarrhaus, also in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Glocken, weshalb er sich jeden Sonntag morgen in aller Herrgottsfrüh um den wohlverdienten Schlaf gebracht sieht. Deshalb bat er vor vielleicht zwanzig Jahren den Pfarreirat um Erlaubnis, wenigstens am Sonntag das frühmorgendliche Gebimmel auslassen zu dürfen.

Das war kurz nach dem Amtsantritt unseres Herrn Pfarrers, alser noch nicht wissen konnte, wie der Hase in Olten in solchen Fällen zu laufen pflegt. Die Ratsherren wollten davon nichts wissen, weil das Gebimmel offensichtlich nur den Herrn Pfarrer störe. Aus der Bevölkerung jedenfalls seien schon lange keine Reklamationen mehr eingegangen.

Seither sind viele Jahre vergangen. Sonntag für Sonntag wird der Herr Pfarrer von seinen eigenen Glocken um den Schlaf gebracht. Nun geht er bald in Pension, die ganze Pfarrei bedauert das sehr. Wir verlieren einenweisen Seelsorger, einen lieben Freund und einen fröhlichen Festbruder. Man wünscht ihm, dass er im Ruhestand ein stilles Plätzchen findet, wo er sonntags ausschlafen kann.

Wir anderen aber, die wir unter den Glocken zurückbleiben, werden uns weiter jeden Sonntag wecken lassen. Wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit. So läuft der Hase in Olten nun mal.

Alex Capus

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