«Generation Unterleibchen»
![Urs Bloch, Mediensprecher.](/fileadmin/_processed_/a/5/csm_sao_2016-05-25_750_0900_810699_Bloch_aa1c0dcf45.jpg)
Wenn der Mai die ersten wirklich schönen Stunden auspackt, kommt der Tag, an dem es zu warm wird für Unterleibchen. Viele lachen nun wohl auf, denn für sie sind Unterleibchen ohnehin ein Fremdwort. Vor allem unsere Kinder würden am liebsten jahraus jahrein im T-Shirt durch die Welt spazieren. Im Winter? Ach, dann ziehe ich halt noch ein dünnes Jäckchen über das T-Shirt an, sagen sie und blicken uns verständnislos an, wenn wir sie auf die kalten Temperaturen hinweisen. Offenbar haben die Jugendlichen heute ein anderes Temperatur-Empfinden als wir, und sie sind nicht einmal häufiger krank. Ich habe mich schon gefragt, ob es an den Handys liegt, welche die Jungen heute ständig mit sich herumtragen. Vielleicht erhöhen die Akkus dieser kleinen Geräte ja die Körpertemperatur um ein, zwei Grad.
Wie auch immer: Kleider sind auf alle Fälle nicht nur eine Mode, sondern auch ein Spiegel der jeweiligen Zeit und der dabei geltenden Konventionen. Als wir noch den Schulsack schulterten, gehörte das Unterleibchen zur Grundausstattung so wie die tägliche Nivea-Ration mitten ins Gesicht. In noch früheren Zeiten gingen die Männer in Anzug und Krawatte und selbstverständlich mit Hut an ein Fussballspiel. Im öffentlichen Raum zog man sich entsprechend gepflegt an. Noch heute gibt es im Mittelmeerraum selbst arme Ziegenbauern, die nur im Veston auf die Strasse gehen. Kleidung kann auch ein Zeichen gegenseitigen Respekts sein. Bei uns sind solche Konventionen häufig aufgehoben. Viele unterscheiden bei der Kleidung nicht mehr, ob sie ins Büro gehen oder direkt in die Oltner Badi. Eigentlich schade, denke ich und versorge meine Unterleibchen im Schrank, wo sie auf mich warten bis zum Herbst.