Gemurmel im Städtchen
Der heilige Benedikt von Nursia mahnt in seinen vor über 1500 Jahren erlassenen Ordensregeln die Mönche, das Murren zu unterlassen. Aber irgendwie hat Benedikts Ermahnung Olten nie erreicht. Denn nichts in Olten ist so verbindend wie das Murren gegen die Obrigkeit. Ob auf einem Stadtspaziergang, beim Surfen auf Facebook in der Gruppe Olten, beim gemütlichen Schwatz im «Ring» oder beim Bierchen im «Kübel»: Stets liegt ein leises Gemurmel in der Luft.
Oft hat der Ärger einen nachvollziehbaren Grund. Wer versteht schon, warum unser Kanton drei Jahre für die Sanierung von 400 Metern Bahnhofstrasse braucht ungeachtet des Ungemachs für alle? Oder warum unser Stadtrat die Geschwindigkeit vor den Altersheimen St. Martin und Bornblick gemäss dem Wunsch der entsprechenden Bewohner nicht einfach von 50 auf 30 reduzieren kann? Manchmal ist die Empörung aber auch wenig verständlich. Etwa im Fall der Errichtung einer Antenne im Stadtturm zur Versorgung der Altstadt und ihrer Besucherinnen mit Mobilfunk. Die Antenne stört weder das Erscheinungsbild der Altstadt noch das Wohlbefinden der Altstadtbewohner. Aber Hautsache, es gibt zu murren.
Ist dieses Gemurmel eine spezielle, uns verbindende Charaktereigenschaft in Erinnerung an das 1653 im Bauernkrieg erlittene Unrecht und die stete Bevormundung durch die Solothurner Obrigkeit? Egal woher diese Oltner Charaktereigenschaft kommt. Sie gehört einfach zu uns und hat immer wieder Positives hervorgebracht, wie etwa die Gründungen der Christkatholiken, der liberalen Bewegung, des Alpenclubs oder der Streikbewegung für die Rechte der Arbeitnehmer. Und wer einmal dem Gemurre des Städtchens entflieht, durchs Chessiloch schwimmt und den Kopf ins Wasser taucht, entdeckt das wunderbare Gemurmel der Aare. Die Steine im Fluss grollen leise und erzählen ihre Geschichte. In Olten murmelt selbst die Aare.