Gelassenheit
Der Sommer verändert unser Städtchen. Durch die sonst eher nüchternen Gassen weht ein Lüftchen Gelassenheit und mediterraner Lebensfreude. Oltnerinnen und Oltner begegnen sich auf den Plätzen und in Gartenwirtschaften, kommen miteinander ins Gespräch und scheinen sich mehr Zeit zu nehmen als sonst. Was gibt es Schöneres, als Glace schleckend durch die Altstadt zu schlendern, in Ruhe auf dem Bifangmarkt einzukaufen, vor dem Kübel ein Bierchen zu trinken, in der Kirchgasse zu chillen oder unter den Sonnenschirmen vor dem Patoro-Lädeli einen Espresso zu trinken? Höchstgenuss des Oltner Sommergefühls sind der tägliche Schwumm im Fluss und die Zeit in unserer schönen Badi. Über alle Generationen hinweg trifft man sich am Aareufer zum Schwimmen, Schwatzen, Sünnelen, Spielen, Pommes essen und Kaffeetrinken. Vergessen sind Alltagssorgen, weltanschauliche Differenzen und körperliche Unzulänglichkeiten. In der Badehose beim wärmenden Sonnenschein treten Trennendes und Eitelkeiten in den Hintergrund. Was für ein berührendes, mitmenschliches Erlebnis, als kürzlich an einem Sonntagmorgen eine junge Frau mit Kleinkind im Veloanhänger neben Martina und mir anhielt, um uns auf die Gefahren des Schwimmens im Chessiloch aufmerksam zu machen. Und was für ein Gegensatz zum üblichen Oltner Alltag: genervtes Hupen am Rotlicht, wenn ein Autofahrer nicht gleich losrollt, «Absteigen»-Gemecker der kulturbefliessenen Damen an die Radfahrer in der Kirchgassse oder dem vorwurfsvollen Kopfgriff der Automobilisten, wenn ich mal etwas neben dem Fussgängerstreifen eine der zahlreichen Oltner Hauptverkehrsstrassen quere. Wenn es uns gelingen würde, diese sommerliche Gelassenheit und menschliche Grosszügigkeit in die kältere Jahreszeit mitzunehmen. Das Oltner Lebensgefühl wäre nicht mehr zu toppen.