Etwas auf Abstand
Vor einigen Jahren schlug mir mein bester Freund eine Wette vor: «10000 Franken, wenn du es schaffst, ein Jahr lang nicht das Oltner Stadtgebiet zu verlassen.» Viel Geld fürs Bleiben, wo ich sowieso schon bin, dachte ich mir, und grundsätzlich wär es mir damals sogar möglich gewesen: Meine Arbeit, Freizeitaktivitäten, mein Schreiben und politisches Engagement – das alles passierte nicht nur in, sondern auch wegen, über und für Olten. Ich lehnte dennoch dankend ab. Zu klaustrophobisch war der Gedanke, in unserem Städtchen gefangen zu sein.
Wie sehr Olten in den letzten zehn Jahren, seit ich aus meinem Elternhaus in Hägendorf ausgezogen war, zu meinem Lebensmittelpunkt geworden war, wurde mir erst vor Kurzem so richtig klar. Nämlich seit es eben nicht mehr ganz so ist. In Wetzikon hab ich die letzten Monate über mitgeholfen, ein kleines, feines Kulturlokal aufzuziehen. Und hab dabei nicht nur unglaublich herzliche und engagierte Menschen kennen gelernt, sondern auch gelernt, dass an anderen Orten Kulturmachen einfacher fallen kann. Dass dort, wo Museen, Bars und die Qual der Wahl an Veranstaltungen eben nicht selbstverständlich sind, neue Initiativen von der Stadt schneller unterstützt und von der Bevölkerung begeisterter aufgenommen werden.
Ins Zürcher Oberland werde ich deswegen trotzdem nicht ziehen. Das Mandat ist befristet, in Aarau wartet ab Mai ein Traumjob auf mich. Olten wird Lebensmittelpunkt bleiben. Nicht trotzdem, sondern gerade weil ich das Stadtgebiet regelmässig verlassen kann, sich nicht mehr komplett alles in meinem Leben um Olten drehen wird. Wenn uns die Pandemie nämlich eines gelernt hat: Will sie länger halten, hat auch die innigste Liebesbeziehung hin und wieder etwas Abstand nötig.