Eine Steilvorlage
Am Montag hatten mein Gatte und ich im Oltner Impfzentrum den zweiten Piks. Der Zufall wollte es, dass unser Ältester als Zivilschützer beim Ausgang sass. «Stimmt der Wohnort noch?», sagte er lachend. Dann reichte er uns das Covid-Zertifikat.
Manche von Ihnen werden spätestens jetzt zusammenzucken – oder die Zeitung entnervt zur Seite legen. Weil Sie vielleicht zu jenen gehören, die die Covid-Impfung ablehnen. Je nach Branche sind das nicht wenige, sagt eine neue Datenanalyse: Im Gesundheitswesen sind es 24, bei Fitnesstrainerinnen oder Coiffeuren fast 40 Prozent. «Mein Körper, mein Immunsystem gehört mir», sagen sie und posieren selbstbewusst in den Medien. Ich gestehe, dass ich dafür kein Verständnis habe. Mein Toleranzreservoir für Impfskeptiker ist erschöpft.
Vor 200 Jahren starb jedes fünfte Baby, weil es mit Diphterie, Kinderlähmung oder Pocken angesteckt wurde. Heute sind diese Infektionskrankheiten ausgerottet, bei Masern ist man auf dem Weg dazu – das Verdienst von Impfungen. Humane Papillomaviren haben in meiner Generation noch zu Krebs oder Krebsvorstufen im Gebärmutterhals geführt. Heute können sich Mädchen und Buben dagegen impfen lassen. Und jetzt Covid-19! In einer norwegischen Studie litten 60 Prozent junger Erwachsener, die eine milde Covid-Infektion durchgemacht hatten, unter Langzeitsymptomen – ständig müde, kurzatmig, wie benebelt. Wer möchte das bekommen? Wer wünscht das seinen Kindern?
Die Freiheit anderer tangiert auch meine. Deshalb will ich Impfskeptikerinnen keine Brücke bauen, wie das in Olten angeblich so gerne gemacht wird. Stattdessen liefere ich lieber eine Steilvorlage: Gehen Sie zur Impfung! Es läuft wie am Schnürchen in der Stadthalle.