Eine Lanze fürs Gymi
Letzte Woche begab sich die kantonale Wirtschaftslobby im Oltner Tagblatt auf pädagogisches Terrain. Gleich drei Verbandsvertreter und ein Firmenchef attackierten die Sek-P – das frühere Untergymnasium – und den «Sonderfall Solothurn»: Viele Kinder würden mit der Sek P «falsch einspuren». Ihr zugrundliegendes Narrativ: Das Gymnasium nimmt der Wirtschaft die (künftigen) Fachkräfte weg. Dabei machen im Kanton Solothurn nur 15 Prozent aller Jugendlichen eine Gymi-Matur – gegenüber 20 Prozent im schweizweiten Durchschnitt.
Mein ehemaliger Schulkollege Thomas Henzi, heute Konrektor an der Kanti Olten, ist verärgert. Es werde vergessen, sagt er mir am Telefon, dass vier Fünftel der Gymischüler das naturwissenschaftliche oder wirtschaftliche Profil belegten und «auf diesem Weg zu den – in diesem Fall – hochqualifizierten Fachkräften werden, die ja in Industrie und Handel ebenso gesucht sind wie ‹Berufsleute›».
Das hat wohl Hand und Fuss und sollte all jene beruhigen, die allem Akademischen skeptisch begegnen. Und dennoch frage ich mich: Ist das der einzige Grund für Jugendliche, das Gymnasium zu besuchen? Um später «hochqualifizierte Fachkräfte» zu werden?
«Ich habe im Gymi nie an den Beruf gedacht», sagt unsere Mittlere, die an der Uni gerade ihren Bachelor macht, «mein Ziel war einfach die Matur.» Ich selbst blicke auf die Gymizeit Jahrzehnte später äusserst dankbar zurück. Mir tat sich damals eine neue Welt auf. Weil ich eintauchen durfte in den Kosmos der menschlichen Sprache; weil ich unnütze Dinge lernte wie das Ableiten mathematischer Gleichungen, oder was das Aktionspotenzial einer Nervenzelle ist. Weil wir kritisches Denken lernten. Für mich war es der Schlüssel zum Glück.