Ein Stück mehr Freiheit
Bremse, abeschalte, luege, inefahre, usfahre, luege, blinke, Gas gä.» Ich lerne Auto fahren. Mit 27 bin ich damit spät dran, war aber als Grossstadtkind zwischen drei Buslinien und einer U-Bahn nie auf den Schein angewiesen. Hier in Olten hatte lange anderes Priorität. Bis zum Lockdown und dem Entscheid, mit meinem Freund einen gelben DHL-Bus zu kaufen und zum Camper auszubauen. Zwischen Arbeit und Sommer wird jetzt gewerkelt. So lange beginnen Campingmorgen weiterhin mit dem vertrauten «ziiiipp, ziiipp».
So auch letzte Woche: Reissverschluss eins zippt. Dann Nummer zwei. Aus dem Zelt blinzle ich Richtung Lichtung des Walliser Campingplatzes, während die Sonne schon jetzt fröhlich durch die Baumkronen blitzt. Im Binntal beginnt ein neuer Tag, während hinter mir der Fluss rauscht, neben mir ein Kollege im Auto schläft und Kollege Nummer zwei bereits Brötchen für alle holt. Die vielen Schichten Kleidung, die mich über Nacht wärmten, lasse ich zum Frühstück an. Zwischen Campern, Zelten, Feuerstelle und Hängematten versammeln wir uns zu zwölft auf Campingstühlen um unsere kleinen Tische, während der Kaffee abwechselnd in drei verschiedenen Kochern über dem Gas kocht. Wir nehmen uns Zeit fürs Zmorge, bevor es fünf Stunden embrüf und embri durchs sonnige Walliser Grün geht – vorbei an Steinböcken Richtung Apéro am Gipfelkreuz. Hier schalten wir ab und lassen den Alltag, wie schon im letzten Jahr, gemeinsam Alltag sein und entscheiden: Auch nächstes Jahr kommen wir wieder. Ich dann mit Bus und Führerschein.
Bis dahin heisst es weiterhin: schalten, Gas geben, bremsen und die Prüfung bestehen. Für ein kleines Stück mehr Freiheit und für einige Reisen durch die Schweiz und Europa, in einem kleinen selbstgebauten Zuhause auf Rädern.