Ein schmuddliges Geheimnis
![Daniel Kissling, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)](/fileadmin/_processed_/e/d/csm_sao_2017-02-08_750_0900_1188785_Kissling_Photo_by_Michael_Isler_Kolumne_410a9a772b.jpg)
Ich hab mir selber geschworen, diesen wertvollen Platz hier auf der Frontseite des offiziellen Publikationsorgans unserer Stadt nicht für den bevorstehenden Wahlkampf zu missbrauchen. Drum mach ich, um zu zeigen, wie ernst ichs meine, gleich mal das Gegenteil. Und zwar indem ich euch eines meiner dunkelsten Geheimnisse gestehe: Ich mag die Winkelunterführung.
Keine Frage: Die Winkelunterführung ist weder schön, noch praktisch. Sie wirkt schmuddelig, ein wenig heruntergekommen, ein wenig verlassen. Sie ist ein Albtraum für alle Städteplaner und ein Paradebeispiel dafür, dass Stil und Konzepte, die an einem Tag modern und fortschrittlich wirken, ein paar Jahre (oder Jahrzehnte) später aus der Zeit gefallener erscheinen können als so manche Burgruine. Und trotzdem gefällt sie mir irgendwie. Oder vielleicht gerade deswegen. Weil sie der Aufwertung trotzt. Weil sie der Funktionalität trotzt, ein wenig so wie ein historisches Überbleibsel. Die verwaisten Glasvitrinen, der schwarze, genoppte Gummiboden (in der Abzweigung zur Post hin) als Zeugen vergangener Stimmungen. Ich laufe vorbei am Foto-Automaten, der auch nicht mehr das Original ist, und stell mir etwa vor, wie meine Eltern damals, in den 80ern, sich drin ablichten liessen, als sie gemeinsam in der Bifang-Migros arbeiteten. Und sich verliebten.
Kitschig? Nostalgisch? Mag sein. Und sicher auch kein Grund, gegen eine Neukonzipierung zu sein. Und trotzdem: So ganz persönlich, ganz sinnfrei mag ich sie, die Winkelunterführung. Und werd sie, sollte irgendwann dann wirklich mal nicht nur darüber diskutiert, sondern auch wirklich gehandelt werden, ein wenig vermissen. Wahlchancen hin oder her.