«Drei Geisslein im Walde»

 

Manchmal ist’seinem, als seien im Städtchen die Gassen verdammt eng und verflucht kurz. Tag für Tag trottet man über dieselben Trampelpfade, am frühen Morgen zur Arbeit und am späten Nachmittag zum Einkaufen, manchmal geht’s zum Postamt oder ins Kino, und im Februar fährt man zum Skifahren nach Sörenberg und im Juli zumBaden in die Türkei. Und irgendwann liegen wir alle nebeneinander im Meisenhard.

Es geht aber auch anders! Im Sommer 2010 geschah es, dass im Ruttigerhof, dem letzten Bauernbetrieb auf Oltner Stadtgebiet, drei Geisslein ausbüxten und nicht mehr wiederkehrten. Der Bauer lief in den Wald und suchte nach ihnen viele Stunden und Tage lang, aber die Ziegen blieben verschwunden. Vergeblich war auch die Hoffnung, dass sie im Winter zur Futterkrippe zurückkehren würden. Als der nächste Frühling kam, hatte der Bauer die Tiere längst verloren gegeben.

Im folgenden Sommer aber schnürte eine Joggerin ihre Schuhe, lief zur Stadt hinaus zumHöhenweg, der sich in sanfter Steigung über den Born bis nach Aarburg zieht - und stand plötzlich vor den drei Geisslein, die ihr den Weg versperrten und wohl auch angriffslustig die Hörner senkten.

Die Joggerin machte angstvoll kehrt und rannte nach Hause, die Ziegen aber wurden seither, soweit ich unterrichtet bin, nicht mehr gesichtet. Schlaue Geisslein müssen das sein. Gut möglich, dass sich ihre Zahl seither verdreifacht hat, und dass sie im Bornwald ein lustiges Lotterleben führen.

Jedenfalls gibt mir ihr Beispiel Hoffnung. Olten ist umgeben von Wäldern, da ist noch viel Platz für domestiziertes, aber freiheitsliebendes Hornvieh. Und falls der Wald nicht reicht, bietet auch die Stadt selber reichlich Auslauf. Das Oltner Strassenverzeichnis umfasst 179 Gassen, Wege und Strassen, die zusammen viele Dutzend Kilometer lang sind.

Es zwingt einen ja niemand,immer dieselben Trampelpfade zu benutzen.

Alex Capus

 

 

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