«Die Zweckmässigkeit des Kitsch»

Daniel Kissling, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)
Daniel Kissling, Kulturschaffender und Barkeeper. (Bild: M. Isler)

Als am letzten Samstag die B-Shakers bei uns im Coq spielten, erzählte ich ihnen, dass wir früher im Dezember immer Weihnachtsdeko in der Bar aufgestellt hätten. Und dass ich das auch
dieses Jahr wieder hätte tun wollen, die Zeit aber nicht gereicht habe. «Lass nur», sagten sie und schienen den Weihnachtsbaum aus Plastik und die Lichterketten in Rentier- und Engel-Form nicht zu vermissen.

Es gilt als chic, Weihnachten gar nicht so toll zu finden. «Ist doch eh bloss alles Konsum!», sagen manche Gäste zu mir an der Bar und: «Auch wenn es Jesus gegeben haben sollte, ist die Chance, dass sein Geburtstag grad mit der heidnischen Sonnenwendfeier zusammengefallen wäre, über- aus klein»

Zumindest an der Sache mit dem Konsum lässt sich nicht Zweifeln. Wenn es ein waschechtes Weihnachtswunder gibt, dann ist es der Umstand, dass in der Adventszeit gängige Kriterien und Verhaltensmuster über Bord geworfen werden. Da wird ein Klostergarten zum Marktplatz, erleuch- tet die umweltbewusste Gesellschaft die Nacht mit einem dutzendfach an Lichtern, tanzt zu kitschigen Songs mit Glöckchenklängen und kauft Dinge für Leute, die man für sich selber niemals kaufen würde.

Muss man das verteufeln? Ist das schlecht? «Magst du Weihnachten?», fragte mich der grandiose Roots-Musiker Stephan Imobersteg am Samstag beim Zusammenräumen. «Nicht alles», sagte ich, «aber wenn ich am 24. Dezember wie jedes Jahr mit dem Regio von Olten nach Hägendorf fahre, zurück zu meinen Eltern, dann ist der Zug voller Heim-kehrer. Alle fahren nach Hause. Das gefällt mir. Einen besseren Zweck kann Kitsch doch nicht haben.»

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