Die Schachtel zum Glück
Einmal im Monat öffnen sich die Türen der Oltner Haushalte einen Spaltbreit. Es ist der Tag, an dem Werkhofmitarbeiter Altkarton einsammeln. Dann stellen wir unsere Konsumgewohnheiten und finanziellen Möglichkeiten ungefiltert zur Schau. Aha, hier gab es einen neuen Fernseher, offenbar ein Gerät von eindrücklicher Grösse. Da wurde ein neues Pult bestellt, ob die Kinder bereits in der Schule sind? Hier hat sich jemand Bier liefern lassen, während man ein paar Häuser weiter dem teuren Roten zuspricht. «Wollen Sie die Schuhe mit Schachtel?», heisst es im Schuhladen. Gerne nahmen wir in den 80-er Jahren den Karton nach Hause, in dem die «Adidas Rom» verpackt waren. Wir hatten es geschafft und unsere Eltern überzeugt, dass es genau diese Turnschuhe sein müssen. Heute setzen viele kaum mehr einen Fuss in den Schuhladen, sie bestellen ihre Ware online nach Hause. Aus Turnschuhen sind Sneakers geworden, und Sammler zahlen für gewisse Modelle Unsummen. Klick für Klick zum Konsumglück. Geliefert wird schnell, immer verpackt in Karton. Schuhe, Kleider, Elektronik, Möbel. Karton umgibt das, was wir brauchen oder zu brauchen meinen. Er ist die profane Hülle unseres vermeintlichen Glücks. Vor Jahren waren wir in Stockholm und bemerkten in der Altstadt bald die vielen Roma auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten. Einige bettelten mit einem Baby auf dem Arm, andere waren als Clown verkleidet und verkauften Ballone. Ihre Allgegenwart erachteten wir als anstrengend. Bis zu dem Moment, als wir das Nachtlager einer Roma-Gruppe entdeckten. Eng nebeneinander liegend versuchten die Kinder in einem überdachten Warenhaus-Eingang zu schlafen. Ihre Matratze war ein grosses Stück Karton.