Die «Hunziker»
«Nicht sehr ansehnlich», meint mein Vater, den Blick zum neuen Stadtteil gerichtet. Diese Wohnblöcke erinnerten ihn an Mietskasernen, und jetzt habe sich auch noch ein Autohändler mit seinem wuchernden Blechpark breitgemacht. Wir sind auf dem Weg ins Byfang und warten auf der ERO vor einem Rotlicht, im Niemandsland zwischen Bahnlinie und dem Abzweiger zu Olten Südwest. Man müsse vielleicht erst einmal abwarten, werfe ich ein, und schauen, wie sich das Quartier entwickle. Doch mein Vater hört nicht zu. Er ist mit seinen Gedanken bereits woanders: in der Hunziker-Zementfabrik, die im letzten Jahrhundert das Gelände von Olten Südwest belegte.
Mein Vater hat Mitte der 50er-Jahre dort gearbeitet. Er hatte die KV-Lehre und Rekrutenschule gerade hinter sich und fand in der «Hunziker» seine erste Stelle. «Ich fühlte mich dort sehr wohl», erzählt er, nachdem die Ampel wieder auf Grün gesprungen ist. «Wenn ich jeweils am Morgen vom Hammer her den Rötzmattweg hochging, konnte ich es im Tunnel schon riechen: diesen unvergleichlichen Geruch nach Stein und Beton und Sand, bis ins Mark drang mir dieser Duft, und in diesen Momenten packte mich jedes Mal ein Glücksgefühl, eine Freude auf den bevor- stehenden Arbeitstag.» Streng sei es gewesen, der Lohn bescheiden und eine Pensionskasse nicht vorhanden, doch man habe ihn, den damals 20-Jährigen aus dem Gäu, in der «Hunziker» sehr geschätzt. «Und jetzt ist das alles nicht mehr», sagt er seufzend. «Dafür entsteht etwas Neues», erwidere ich. «Es kommen neue Menschen, Familien mit Kindern – Olten wächst wieder.» Da hätte ich wohl recht, räumt mein Vater ein. Das seien hoffnungsfrohe Zeichen. «Aber schön war’s damals trotzdem.»