«Die blonde Rächerin»

Kürzlich entdeckte ich in Olten ein illegales Glücksspielcasino.Ich hatte in einerGaststätte, die hier gewiss nichtnamentlich erwähnt sein möchte, an der Internetmaschine Platz genommen, um mir eine Bahnverbindung nach Pruntrut herauszu-suchen, als plötzlich die Tischplatte wegrutschte und hinten ein geheimer Schlitz zum Vorschein kam, in den man die Banknoten einführt.

Dem Vernehmen nach gibt es inOlten eine ganze Reihe von Lokalen, in denen illegales Glücksspiel eine wichtige Einnahmequelle ist. Aber sagen darf das niemand, weil keiner was beweisen kann. So ist es mit Vielem im Städtchen. Jeder weiss Bescheid und alle sind auf dem Laufenden, aber keiner darf laut darüber sprechen.

Unter vier Augen erzählen angesehene Oltner Bürger, dass sie beim Hauskauf auch mal ein paar zehntausend unter dem Tisch durch-reichen. Aber an die grosse Glocke hängt man das nicht.

Nach dem dritten Bier gibt dieser oder jener Baufachmann gerne zu, dass er auch deshalb in der Baukommission sitzt, weil er sich den einen oder anderen Auftrag erhofft.

Anderes Beispiel: Wer in den Siebziger Jahren in Olten das Gymnasium besuchte, kann bezeugen, dass reihenweise Lehrer sich Schülerinnen als Geliebte hielten.

Und so weiter. Über all das weiss jedermann im Städtchen Bescheid, aber keiner spricht laut darüber. Manchmal wünschte man sich, dass irgendwann einmal, alle paar Jahrzehnte mal jemand laut wird und es so richtig krachen lässt.

In diesem Zusammenhang fällt mir ein, dass der Exil-Oltner Walter Millns einen Krimi geschrieben hat, in dem eine blonde Rächerin oltnerischer Abstammung es richtig krachen lässt («Tod im Rheinfall», 15 Franken). Leider wütet sie hauptsächlich in Schaffhausen, wo Millns jetzt wohnt, aber immerhin finden die Oltner Badi, die Reithalle und das 1.Mai-Fest wehmütigeErwähnung.

Vielleicht kehrt die blonde Rächerin in Band zwei ja mordend und fingerbrechend nach Olten zurück. Ich würde es mir wünschen. Nur auf Papier natürlich.Alex Capus

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