«Der Zaun (6)»

«Hast du gesehen?» sagte mein Nachbar Urs. «Der Zaun um die Schützenmatte ist weg.»

«Wirklich?» Das jagte mir einen Heidenschreck ein. Es wäre das erste Mal in meinem Leben gewesen, dass mein Geschreibe in diesem Städtchen eine sichtbare Wirkung gehabt hätte.

«Ach wo», sagte Urs. «Ich mache nur Spass. Hat der Stadtrateigentlich schon gesagt, wieso man den Zaun leider nichtabreissen kann?»

«Ich glaube nicht. Aber einen Grund wird’s schon geben.Sonst wär’ der Zaun ja weg.Oder nicht?»

Es ist ein in Kleinstädten bekanntes Phänomen, dass es in jeder Generation ein paar Querulanten gibt, die mit Ideen antanzen und dann irgendwann aufgeben, weil in einer Kleinstadt nun mal immer alles beim Alten bleibt. Das ist vielleicht ganz richtig so. Ich weiss es nicht. Jedenfalls ist es so. Und wenn man es für falsch hält, ist es trotzdem so. Also hält man es vielleicht besser für richtig.

Und immer wieder stellt sich für jede Generation die Frage, wann man besser aufhören sollte mit dem Ideen-Haben. Ganz allgemein erklärte dazu jüngst mein verehrter Freund Joachim Rittmeyer im Oltner Theaterstudio: «Man sollte aufhören, solange man noch mag. Allerdings gilt das auch fürs Weitermachen.»

Irgendwie hilft uns das jetzt nicht weiter. Also würde ich vorschlagen, dass wir uns Konkretem zuwenden - zum Beispiel einmal mehr dem Zaun, der so saublöd die Schützenmatte umschliesst, dass kein Mensch die einzige Grünfläche im Städtchen betreten kann. Die Hoffnung, dass er zu unseren Lebzeiten von allein durchrostet und hinfällt, ist wohl vergeblich, das haben mir Fachleute erklärt. Der Zaun ist feuerverzinkt. Hält ewig.

Bleibt also nur die Spendensammlung im Coiffeursalon Spielmann. Dort steht ein wunderschönes Kässeli, von einem Kunstrasen ummantelt und von einem kleinen Zaun gekrönt. Es enthält schon ein paar hundert Franken. Das Entfernen des Zauns kostet laut Offerte des Schlossers 3400 Franken rein netto inkl. MWST. Zahlbarbinnen dreissig Tagen.

Alex Capus

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