Der Zauber der Tropfen
Aufziehender Regen. Im Wald hört man ihn zuerst, ehe man ihn spürt. Wer mit wachen Sinnen durch das Grün streift, nimmt das anschwellende Rauschen wahr, das sich über die Baumkronen legt, ehe die ersten Tropfen seine Haut kühlen. Dann macht sich der unverkennbar, leicht scharfe Duft breit. Ein schnörkellos schöner Moment, ganz im Hier und Jetzt. Nun braucht es keinen wehmütigen Blick auf die Vergangenheit und kein Hoffen auf die Zukunft. Vielleicht ist dieses bewusstere Eintauchen in die Gegenwart eine der wenigen positiven Folgen der Krise. Was haben wir nicht alles in sie hineininterpretiert, in diese ausserordentliche Zeit: Von einer neuen Mobilität bis hin zu einer solidarischeren Gesellschaft sollte sie bringen. Es gibt untrügliche Zeichen, dass davon kaum etwas bleibt, ausser der Umstand eben, dass wir die Unmittelbarkeit mehr schätzen. Es bleibt uns nichts anderes übrig. Zwar geht der Blick wieder weiter in die Zukunft, jedoch stets begleitet von der Gewissheit, dass alles ungewiss bleibt. Herbstferien? Wer weiss schon, ob es dann am Meer oder in den Bergen sicherer ist? Ein Konzert im November? Sind dann 100 oder 1’000 Personen zugelassen? Die Gegenwart hingegen findet statt und bring uns Zufriedenheit: die Freude an reifen Früchten, leuchtenden Blumen und lauen Sommerabenden. Und es wächst die Freude an zufälligen Begegnungen - wie derjenigen mit einem Feuersalamander neulich am Waldrand. Der kleine Lurch trottete gemächlich über einen Pfad und bewegte dabei immer nur ein Bein nach dem anderen. Ich bin mir nicht sicher, ob er schon mal etwas vom Virus gehört hat. Aber wie er seiner unmittelbaren Zukunft Schritt für Schritt entgegenging, machte Eindruck.