Der Fälscher
Wollt ihr das Neuste von Wolfgang Beltracchi hören?» frage ich in die abendliche Freundesrunde. Interessiertes Nicken. «Seine Geschichte gibt’s jetzt auch auf der Bühne», beginne ich zu erzählen. «Wir waren da. Es war ausverkauft.»
Wolfgang Beltracchi ist ein ehemaliger deutscher Kunstfälscher. Er malte Bilder im Stil grosser Künstler – Max Ernst, Fernand Léger, Camille Pissarro –, wobei er deren Werke nicht einfach kopierte. Vielmehr studierte er ihre Handschrift und schuf «Originale», als ob diese von den Meistern selbst stammten. Seine Frau Helene Beltracchi, nicht minder gerissen, vertickte die Werke für Millionen. 2010 flogen die beiden auf und mussten ins Gefängnis, doch sie sind längst rehabilitiert. «Heute sind die Beltracchis die Darlings der Zürcher Society», sage ich, «als hätte es nie einen Betrug gegeben. Wie kann das sein?»
Unsere Runde ist um Erklärungen nicht verlegen: Da ist der Bonnie-and-Clyde-Faktor der Beltracchis; die bewegenden Briefe, die sich das Paar im Gefängnis schrieb und die von einer tiefen, innigen Liebe zeugen; die Schadenfreude, die man empfindet, wenn die geschädigte Partei «das System» ist (in diesem Fall der schwer durchschaubare und vielen suspekte Kunstmarkt) und nicht ein armes Individuum; die Tatsache, dass Beltracchis heutige Werke sechsstellige Summen erzielen – «wobei der Kunsthandel an ihm kräftig mitverdient», wie unser Freund M. bemerkt.
Am nächsten Morgen fällt uns im OT ein Artikel über ein Gemälde von Ferdinand Hodler auf, «die Kastanienallee bei Biberist», zuletzt für 5,4 Millionen Franken versteigert. «Beltracchi ist ja schon wieder in der Zeitung!», sagt mein Gatte. Ich beginne zu grinsen. Die Geschichte wäre zu gut.