«Das Wunder zu Olten»

In Olten ereignen sichnormalerweise keineWunder. Wir haben den Bahnhof und die Gondelbahnfabrik, aber die Madonnazu Sankt Martin vergiesst keineTränen und das Aarewasser heilt keine Kranken. Auch haben wir keine Hängenden Gärten oder Pyramiden, und das einzige Wunderkind ist Mike Müller. Wobei der in Grenchen zur Welt kam.

Letzten Montag aber ist eben doch ein Wunder geschehen. Ich schlenderte hinunter ins Städtchen, gefasst auf den stinkenden, lärmenden Berufsverkehr - und was sehe ich? Die Innenstadt ist auf wundersame Art verkehrsberuhigt. Auf dem grossen Platz vor der Stadt-kirche, der eben noch eine starkbefahrene Autostrasse war, spielen Kinder und Mütter trinken Kaffee. Teenager fahren Skates und in den Kastanienbäumen pfeifen Vögel,als sei’s nie anders gewesen… man möchte meinen, man sei in Locarno. Oder in Yverdon. Beinahe schon in Solothurn.

Das Erstaunlichste an dieser wundersamen Wandlung ist, dass alle Freude haben und keiner meckert. Zwanzig, dreissig Jahre lang hatOlten erbittert um seine Verkehrspolitik gerungen, um jedes Parkfeld war gestritten worden, als hänge der Fortbestand des Abendlands auf dem Spiel. Dauernd musste das Volk abstimmen, stets sagte es Nein. Jetzt wird die Innenstadt ruckzuck autofrei - und alle finden es gut. Sogar die Ladenbesitzer, die eben noch Zetermordio schrien, stellen hurtig Bistrotischchen in die neue Fussgängerzone und strahlen um die Wette.

Wie man mir sagt, ist das alles rechtens und demokratisch einwandfrei beschlossen worden. Das wird gewiss so sein, wahrscheinlich habe ich einfach einiges nicht mitbekommen. Aber wo waren die Schreihälse, die immer zu allem Nein sagen? In den Ferien? Beim Eishockeymatch? Oder haben die einfach mal kurz nicht aufgepasst?

Wie auch immer: Seit Montag ist Olten schön. Es ist ein Wunder. Man muss sich das anschauen.

Alex Capus

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