Das weiss man doch
Gross, laut, rot und dampfend, ein wahres Monster, war die Diesellok, die mein Uropa Ende der 60er-Jahre steuerte. Zumindest in der Erzählung meiner Mutter, die ich schon so oft gehört habe: «Ich war vier Jahre alt und mit Oma Hanna am Hamburger Hauptbahnhof, um Opa bei der Arbeit zu besuchen.» Und mein Urgrossvater war stolzer Lokomotivführer. Nach seiner Lehre als Schlosser schippte er erst als Heizer täglich Kohle ins Feuer, wurde irgendwann Reservelokomotivführer und später Hauptlokomotivführer.
«Ah, du fährst heute?», hat ihn wohl mal ein Berufskollege gefragt und fröhlich ergänzt: «Ja, dann weiss ich ja, dass wir pünktlich ankommen», im Bewusstsein darüber, dass das Zeitmanagement mit Kohle und Dampf eine besondere Herausforderung war.
Nun hat sich mein Uropa 2010 von uns verabschiedet, und Mama behauptet, als wir letztens wieder über ihn sprachen, er würde sich vermutlich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, was aus seiner Bahn geworden ist. Und sie erzählt auch: «Ich war dieses Wochenende mit Inge in Glücksburg und habe erzählt, dass du jetzt in Olten wohnst. Das kannte sie natürlich direkt.» Niemand in Deutschland, erst recht nicht an der Grenze zu Dänemark, kennt Olten direkt, denke ich sofort und denke dabei auch an meine komplizierten Erklärungsversuche, Oltens geografische Lage zu beschreiben – in einer kommt eine Dartscheibe vor.
Wieso weiss Inge also, wo Olten liegt? «Na, das weiss man doch», hat sie geantwortet, denn auch meine Mutter, die wie ich den offensichtlichen Zusammenhang übersah, stellte die Frage überrascht. «Nicht nur mein Onkel, also euer Opa und Uropa, sondern auch mein Mann und mein Vater waren Eisenbahner. Und Eisenbahner kennen Olten.» Logisch, denke ich und schmunzle bei dem Gedanken, dass also auch «Opa Walter» direkt wüsste, wo ich nun zu Hause bin.