Das Kleine ganz gross
Und du bist immer noch glücklich in der Schweiz?», fragt mich ein guter Freund bei meinem ersten Hamburgbesuch nach acht Monaten. 72 Stunden durfte ich in meine Heimatstadt, vier davon verbrachten wir bei ihm auf dem Balkon Richtung Sportplatz und in der WG-Küche, als wäre ich nie weg gewesen. «Ja, bin ich.» Also immer noch sehr glücklich in der Schweiz, in Olten. «Weisst du, irgendwie ist man sich in der Kleinstadt viel näher, obwohl jeder verhältnismässig mehr Platz für sich hat. Hier in der Grossstadt sind wir uns alle, alle 1,8 Millionen Einwohner, räumlich so nah und trotzdem viel distanzierter, als ich es in der Kleinstadt erlebe.» «Ja, in der Grossstadt bist du schnell allein», antwortet er und erzählt, dass er jetzt an den Stadtrand zieht.
Nicht nur er. Nach acht Monaten Lockdown inklusive Ausgangssperre und grauem Stadtwinter sprechen viele meiner Freunde übers Wegziehen. Immer die Frage im Kopf: Was macht mich wirklich glücklich? Was will ich, wenn ich dank Home Office arbeiten kann, wo ich möchte? Wenn der Vorteil des Grossstadtlebens, immer da zu sein, wenn was läuft, nichts mehr bringt, weil nichts läuft. Möchte ich dann noch Stadtkind sein und zwischen Häuserreihen die Natur in Parks suchen? Ihre Gedanken überraschen mich. Vor viereinhalb Jahren und auch vor acht Monaten wurde mein Weg in die Kleinstadt oft belächelt. Dieses Mal wurde er, auch wenn ich aus anderen Gründen ging, für viele verständlich, war nun einen zweiten Blick und ein paar Nachfragen mehr wert.
Zurück über den Wolken, auf dem Weg nach Hause an die Aare, lasse ich den Kurzaufenthalt Revue passieren und bin gespannt. Gespannt wer bleibt, wer geht, wer wo sein Glück findet und wo ich meine Freunde zukünftig antreffe.