Boten des Sommers
Ein schrilles Pfeifen. Zweimal. Dreimal. Dutzendfach. Das Schlagen der Flügel ist ergreifend hörbar. Ebenso das Rauschen des Flugwindes. So nah fliegen sie vorbei. Eine Armlänge weit.
Oft weniger. Als gehörte man dazu. Geduldet trifft es besser. Die Flugakrobaten bieten täglich mehrfach waghalsiges Schauspiel. Rasant das Tempo. Wild die Jagd. Ein kleiner Balkon ist die Zuschauertribüne. Über den Köpfen der staunenden Zaungäste hängen die Nistkästen. Immer wieder fliegt die ganze Kolonie vorbei. Dabei wird jede bezogene Vogelbleibe der Nachbarschaft angepeilt. Etliche Mauersegler flattern kurz vor den bescheidenen Behausungen. Manche hängen sich für einen Augenblick an Regenrinne, Dachverzierung oder Vogelhaus. Das Geschehen wiederholt sich. Irgendwann. Scheint ein Ritual zu sein. Irgendwie. Fliegt ein Koloniemitglied vorbei, erschallt eine Antwort aus dem Nest. Vater oder Mutter. Zuweilen Mutter und Vater. Manchmal ist nur das zarte Zwitschern der Jungvögel zu vernehmen. Mit den Flugkünsten wächst jeweils die Sehnsucht auf den nächsten Frühling, obwohl der Sommer noch längst nicht vorbei ist. Ihr Pfeifen steigert Reisefieber und weckt Heimatgefühl zugleich. Lässt vergessen, was nicht geschehen sollte. Plötzlich sind sie weg. Sind hoch droben. Kaum zu erkennen. Des Nachts erfolgt fliessend Wachablösung durch vereinzelte Fledermäuse. Wann ruhen Mauersegler? Auf einmal sind sie ganz weg. Das ist die Kunde vom Abschied des Sommers. Kommen sie wieder? Vielleicht verschwinden sie irgendeinmal vollkommen. Denn bleiben die Insekten aus, verstummen, von vielen unbemerkt, auch die Mauersegler. Und mit ihnen ginge ein schönes Stück Sommer verloren.