«Bild mit Dame»

Irène Dietschi, Journalistin. (Bild: Daniela Friedli)
Irène Dietschi, Journalistin. (Bild: Daniela Friedli)

«Hallo Quotenfeder!» begrüsst mich mein Gatte, den Kopf zur Küchentür hereinstreckend. Vor Schreck lasse ich die Kartoffel fallen, die ich gerade schäle. «Was heisst hier Quotenfeder!» entgegne ich empört. «Die haben halt noch eine Frau gesucht», schiebe ich nach – aber da ist er schon entschwunden.
Der Spott meines Gatten zielt auf mein neues Engagement beim Stadtanzeiger. Als einzige Frau neben drei Herren bin ich zum neuen Kolumnisten-Team gestossen, das seit Anfang Jahr hier die Feder führt. Ich wurde nicht nur zuletzt angefragt, sondern bin auch die Älteste. Während ich das Essen zubereite, drehen sich meine Gedanken um das Klischee der Quotenfrau. Wie viele Varianten davon habe ich meinem Leben schon angetroffen. Sie finde es wichtig, dass «auch Frauen auf Podien vertreten» seien, habe ich in einem Interview mit der Filmtage-Direktorin gelesen (potz, da waren aber schon unsere Mütter progressiver!). Verwaltungsräte achten penibel darauf, ausser Anzügen mindestens ein Deux-Pièces zu präsentieren, Parteien suchen verzweifelt «noch eine Frau» für ihre Nationalratskandidaturen (ausser natürlich die SVP, diese Super Vielen Politbuben). Solches schlägt dann in die Realität durch: eine einzige Frau im Oltner Stadtrat, ebenso in der Kantonsregierung, und auch die solothurnische Vertretung in Bundesbern: ein Bild mit Dame. Später, als alle um den Tisch sitzen und es wie gewohnt hoch zugeht, grummle ich noch immer. Mein Gatte aber ist nicht zu bremsen: «Deine Kollegen», sagt er vergnügt, «sie sind die Quotenkerle!» Die müssten halt zu dritt antreten, um eine Frau aufzuwiegen. Für diese Charmeoffensive, denke ich, darf er nachher glatt die Küche aufräumen.

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